Badeverbote in Deutschland, tote Hunde in den USA: Geht es den Blaualgen zu gut, leiden Mensch und Tier.
Wesentliche Faktoren für übermässiges Algenwachstum: Warmes Wasser und massenweise Nährstoffe – konkret Phosphor. Dem hatte die Schweiz vor gut 50 Jahren Jahren den Kampf angesagt. Denn damals sorgten intensive Landwirtschaft und ungeklärte Abwässer für überdüngte Seen mit rekordhohen Phosphorwerten.
Die Folge: Algenteppiche auf der Wasseroberfläche und Sauerstoffmangel darunter. Was dramatische Folgen für die Fischpopulationen hatte und dazu führte, dass einige Seen gar künstlich beatmet wurden.
Was im letzten Jahrtausend angerichtet wurde, ist bis heute nicht ganz ausgestanden. Und die gestiegenen Temperaturen der letzten Jahre haben eine bedenkliche Wechselwirkung in Gang gesetzt:
Normalerweise durchmischt sich Seewasser zweimal pro Jahr. Bei zu hohen Temperaturen kommt dieser Prozess ins Stocken. Gelangt aber kein Sauerstoff mehr in tiefere Lagen, wird es nicht nur für die Fische eng – es begünstigt auch die Freisetzung von Phosphor, das vor Jahrzehnten im Seeboden eingelagert wurde.
Was in Hitzesommern mit viel Sonnenschein wiederum das Wachstum der Blaualgen fördert. Ein ungünstiger Kreislauf.
Das Problem: Blaualge ist nicht gleich Blaualge. Allen gemein ist die Fähigkeit, sich explosionsartig zu vermehren. Je nach genetischer Veranlagung produzieren sie aber auch Gifte, die in höherer Konzentration für Mensch und Tier problematisch werden.
Welche sind gefährlich? Welche Faktoren begünstigen ihre Vermehrung derart, dass Badeverbote angezeigt wären? «Puls» hat Forscher der EAWAG auf dem Greifensee begleitet, die dort eine schwimmende Messstation betreiben.
Der Greifensee zählt zu den Gewässern, die besonders mit der Überdüngungs-Hypothek aus der Vergangenheit zu kämpfen haben. Seit 1910 nahm auch hier der Phosphorgehalt laufend zu. In den 1970er Jahren betrug er rund 500 Mikrogramm pro Liter – das Zwanzigfache des heutigen Zielwerts.
Seither konnte er dank verschiedenen Massnahmen (Abwasserreinigungs-Anlagen, Phosphatverbot in Waschmitteln, Vorschriften für die Landwirtschaft) massiv gesenkt werden und war nach der Jahrtausendwende nahe am Zielwert von 25 Mikrogramm pro Liter.
Seit neun Jahren geht der Trend aber wieder in die andere Richtung, was 2011 zu einer Blaualgenblüte führte. Ernst Bosshard, der am Greifensee aufgewachsen ist, hat sie miterlebt: «Das fühlte sich gar nicht nach Algen an. Mehr so wie ein Pulver, das auf dem Wasser schwamm.»
In seiner Jugend hatte er weit Schlimmeres erlebt, mit toten Fischen und richtig dicken Algenteppichen auf dem See. «Als Kinder machten wir damit regelrechte Schlammschlachten.»
Dieses Jahr ist es noch zu keiner Algenblüte gekommen. Was nicht ist, kann allerdings noch werden: «Cyanobakterien werden normalerweise Ende Sommer dominant», weiss Biologe Francesco Pomati. Vor allem, wenn September und Oktober noch milde Temperaturen bringen, könnten die Algenteppiche plötzlich wieder da sein.
Die Messstation auf dem Greifensee liefert Francesco Pomati und Umweltchemikerin Elisabeth Jannsen die Grundlagen für ihre Forschung. Während es Pomati darum geht, die Entstehungsmechanismen von Blaualgenblüten besser zu verstehen, möchte Jannsen herausfinden, welche Blaualgen-Bakterien überhaupt Giftstoffe produzieren können.
In der Summe hofft man künftig vorhersagen zu können, wann Algenblüten auftreten und wie gefährlich sie wann für Mensch und Tier sind.
Das Blaualgen-Problem betrifft nicht nur den Greifensee. Alle rund 1500 Seen in der Schweiz sind mehr oder minder stark von der Erwärmung durch den Klimawandel betroffen, die auch die Ausbreitung invasiver Muschelarten begünstigt oder den Jahreszyklus vieler Wasserbewohner durcheinanderbringt. Der Bund prüft deshalb ein schweizweites Monitoring-System.