Auf dem Meeresgrund der Tiefsee liegen kartoffelgrosse Knollen. Diese enthalten neben Mangan auch Cobalt, Nickel und seltene Erden. Via Staubsauger-Technik könnten sie geborgen und in Solaranlagen und Elektrofahrzeugen verbaut werden. Grosse Schätze also. Doch eine neue Studie im Fachjournal Nature belegt: Der Preis für die Lebewesen der Tiefsee ist hoch.
Folgen noch vier Jahrzehnte später sichtbar
Ein Testabbau von Knollen in der Tiefsee fand 1979 in 5000 Meter Tiefe statt. Ein Forschungsteam untersuchte 2023 die Folgen. Ihr Fazit: Die Auswirkungen des Abbaus sind noch 44 Jahre später im Gelände sichtbar. Und die Biodiversität ist tiefer als in vergleichbaren unberührten Gebieten.
Die Verwalterin der Bodenschätze der Meere
Für solche Testabbauten braucht es die Bewilligung der Internationalen Meeresbehörde.
Diese Behörde hat die Aufgabe, die Tiefsee vor schädlichen Auswirkungen des Bergbaus zu schützen. Dafür ist sie verantwortlich, den sogenannten Mining Code zu erarbeiten.
Der «Mining Code»
Seit 2014 arbeitet die Internationale Meeresbehörde an diesem Mining Code. Dieses Regelwerk soll ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Interessen und Umweltschutz herstellen.
Viele Firmen stehen in den Startlöchern für einen kommerziellen Tiefseebergbau. Doch die Ausarbeitung braucht Zeit. Einigen Ländern geht es zu langsam voran, anderen zu schnell.
Bis zur Verabschiedung werden von der Meeresbehörde nur Erkundungslizenzen vergeben. Also nicht für einen kommerziellen Bergbau, sondern nur für Testabbauten. Und bis dahin gilt das allgemeinere Internationale Seerechtsübereinkommen von 1994.
Dieses Seerechtsübereinkommen haben neben der Schweiz weitere 168 Staaten und die EU ratifiziert. Die USA haben es zwar unterzeichnet, doch bisher nicht ratifiziert. Muss sich die USA deshalb nicht ans Seerechtsübereinkommen der UNO halten?
Das Völkergewohnheitsrecht
Doch, auch die USA muss sich wohl daran halten. Denn Abkommen der UNO, die von einer grossen Mehrheit der Staaten ratifiziert wurden und schon länger gelten, gehören zum Völkergewohnheitsrecht. Das bedeutet, dass sie für alle Staaten verbindlich sind.
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Bild 1 von 3. Ein Seestern der Tiefsee auf einem Manganknollen. In der Studie hat ein Forschungsteam die Langzeitfolgen eines Testabbaus untersucht. Ihr Fazit: Auch 44 Jahre später war die Biodiversität tiefer als in vergleichbaren Regionen ohne Testabbau. Bildquelle: ROV Kiel 6000 / GEOMAR.
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Bild 2 von 3. Spuren des Test-Abbaus von 1979. Auf diesem Bild sind die Fahrspuren eines Minenfahrzeuges aus dem Jahr 1979 noch 2023 sichtbar. Und zwar in der Clarion-Clipperton Zone. Diese Zone liegt im Norden des pazifischen Meeres zwischen Mexiko und Hawaii und beherbergt viele Manganknollen. Bildquelle: National Oceanography Centre / NERC SMARTEX ROJECT.
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Bild 3 von 3. Die Gebiete in der Clarion-Clipperton Zone für Knollen-Testabbaus. Auf dieser Darstellung der Webseite der Internationalen Meeresbehörde sind die Gebiete in der Clarion-Clipperton Zone eingezeichnet, auf denen Testabbauten von Knollen stattfinden oder die dafür reserviert sind (gelb). Alle anderen Farben stehen für die Gebiete eines der 13 Unternehmen, die eine Erkundungslizenz in dieser Zone besitzen. Bildquelle: International Seabed Authority / GEBCO / NOAA.
Das betont auch Pierre-Alain Eltschinger, Mediensprecher des EDA: «Es ist anerkannt, dass ein grosser Teil der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens Völkergewohnheitsrecht darstellen und damit grundsätzlich auch Staaten binden, die das Übereinkommen nicht ratifiziert haben.» Somit erscheint es fraglich, ob ein Abbau in der Tiefsee ohne Bewilligung der UNO-Meeresbehörde für Nicht-Mitgliedstaaten zulässig ist, so Eltschinger. Und doch: Die USA hat vor ein paar Tagen genau das angekündigt.
Wie geht es jetzt weiter?
Gemäss Pierre-Alain Eltschinger des EDA sind zwar Fortschritte bei der Ausarbeitung des Mining-Codes erzielt worden. Doch müssen noch wichtige Punkte ausgearbeitet werden: «Hierzu zählen insbesondere die Ausarbeitung von Umweltschwellenwerten, die Frage der Gewinnverteilung sowie die Aufsicht und die Ausarbeitung von ergänzenden Richtlinien.»
Umweltschwellenwerte sind die Werte, ab denen Veränderungen kritisch sind für das Ökosystem. Dafür benötigt es weitere Studien zu den Umweltfolgen des Tiefseebergbaus.