Das jahrtausendealte Monument Stonehenge verblüfft uns bis heute. Ein grosses Rätsel war bis vor Kurzem noch immer, woher die bis zu neun Meter hohen und 20 bis 30 Tonnen schweren Steinblöcke inmitten einer Ebene in Südengland stammen könnten.
Für einige bläulich gefärbte, etwas kleinere Steine konnte dies letztes Jahr bestimmt werden. Nun ist es gemäss einer veröffentlichten Studie im Fachmagazin «Science Advances» gelungen, auch die Herkunft der ganz grossen Steine geografisch stark einzugrenzen.
SRF: Wie konnte man bestimmen, woher die Stonehenge-Blöcke stammen?
Catrin Caprez: Das Forschungsteam aus Grossbritannien führte eine Technik ein, die sich in den letzten 30 Jahren rasant entwickelt hat: Die Röntgenfluoreszenzspektroskopie oder Röntgenfluoreszenzanalyse.
Wie funktioniert diese Technik?
Gesteinsproben werden mit starken Röntgenstrahlen bestrahlt und geben dann als Reaktion darauf ein ganz charakteristisches Licht ab, Licht im Fluoreszenzbereich – daher auch der Name. Dieses charakteristische Fluoreszenzlicht verrät, aus welchen Mineralien eine Gesteinsprobe zusammengesetzt ist.
Solche Messgeräte gibt es seit einigen Jahren auch in handlicher Grösse. Man muss sich das wie eine Art klobige Pistole vorstellen. Vorne hat sie ein Millimeter grosses Loch, von wo die Röntgenstrahlen in einen Stein hinein geschossen werden.
Der grosse Vorteil dabei ist: Man kann direkt an den Steinen viele verschiedene Messungen machen und muss den Stein dafür nicht ankratzen oder sonst wie beschädigen.
Wie sind die Forscher vorgegangen?
Der Geomorphologe David Nash und sein Team haben mit dem Gerät die Steine in Stonehenge ausführlich untersucht. Analog analysierten sie auch Gesteinsproben von verschiedenen Orten in Südengland, die als Reservoir für die Stonehenge-Blöcke infrage kamen. Die Hoffnung dabei war, einen Ort zu finden, wo die Steine möglichst die gleiche Zusammensetzung haben wie in Stonehenge.
Leider haben diese tragbaren Analysegeräte doch einen Nachteil: Sie sind um einiges ungenauer als Laboranalysen. An diesem Punkt kam den Forschenden aus Grossbritannien ein fast schon unglaublicher Zufall zu Hilfe: Ein 90 Jahre alter Mann aus Florida meldete sich 2018 bei den britischen Behörden. Er besässe einen Bohrkern aus einem der grossen Stonehenge-Blöcke und wolle diese nun gern zurück nach Grossbritannien geben.
Wie war denn ein Stück Stonehenge nach Florida gekommen?
Dieser Mann namens Robert Philips war in den 50er-Jahren an Restaurationen beteiligt. Damals wurden einige umgefallene Blöcke wieder aufgerichtet, und dazu musste einer der Blöcke angebohrt werden, damit man ihn überhaupt hochheben konnte.
Philips behielt damals einen dieser Bohrkerne und wanderte später in die USA aus. Als er den Bohrkern dann zurückgab, hatte das Forschungsteam aus Grossbritannien völlig überraschend eine Gesteinsprobe von den wertvollen Stonehenge-Blöcken.
Die neuen Labordaten zeigten nun: Die grossen Blöcke des Stonehenge Monuments stammen mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit aus West Woods, einem Plateau, das etwa sechs Quadratkilometer gross ist und sich ungefähr 25 Kilometer nördlich von Stonehenge entfernt befindet.
Bleibt jetzt noch die Frage: Wie sind die Blöcke von dort 25 Kilometer nach Stonehenge gekommen?
Das ist trotz einiger Hypothesen bis heute ein ungelöstes Rätsel um Stonehenge.
Das Gespräch führte Roland Fleig.