Stille. Plötzlich beginnen die Ventilatoren der Kühlanlage laut zu brummen. Auf die Nutzung der Anlage weisen Lettern aus Metall hin: «Svalbard Global Seed Vault». Hier, tief im Plataberget versteckt, lagern knapp 1,2 Millionen Samenproben aus 249 Ländern der Welt.
«Sicherungskopien» von Saatgut
Der globale Saatguttresor Spitzbergen wurde 2008 eröffnet – als Backup für den Katastrophenfall, falls eine der etwa 1700 Saatgutbanken weltweit vernichtet wird. Danach könnten die betroffenen Pflanzenspezies mit «Sicherungskopien» aus dem arktischen Tresor nachgezogen werden. Als erstes Land lagerte Estland Proben ein, die Schweiz ist seit 2009 dabei.
Der Ort ist nicht gedacht, um Pflanzen zu lagern, hier wird ausschliesslich Saatgut aufbewahrt: Amaranth aus Ecuador, Wildbohnen aus Costa Rica, Reis aus Indien, Dinkel und Gerste aus der Schweiz.
Tresor im Permafrost
Am häufigsten finden sich Weizensorten gefolgt von Reis. Die arktische Kälte Spitzbergens soll die Samen schützen. Hinter dem Projekt steckt Angst. Es ist die Angst vor den Folgen einer «abnehmenden Artenvielfalt von Nutzpflanzen für die Menschheit», so Hannes Dempewolf.
Der Biologe arbeitet für den Global Crop Diversity Trust, den Welttreuhandfond für Kulturpflanzenvielfalt, der den Saatguttresor betreibt. «Da geht es um Landrassen, alte Sorten, die von Bauern über Jahrhunderte gezüchtet und entwickelt wurden.» Diese gelte es für künftige Generationen zu bewahren.
2017 hatte vermutlich der Klimawandel auch den Tresor erreicht. Unerwartet hohe Temperaturen im Herbst und Winter brachten den Permafrost zum Schmelzen und sorgten dafür, dass Wasser in den Eingangsbereich gelangte. Das habe allerdings nicht die Lagerräume gefährdet, so Crop Trust-Direktor Stefan Schmitz. Keine der Saatgutproben sei durch das Wasser in Mitleidenschaft gezogen worden.
Ob der «Klimawandel dafür verantwortlich war oder ein Konstruktionsfehler beim Bau des Zugangsstollens», liesse sich nicht mehr genau klären, so der Direktor.
Baumängel schon bei der Eröffnung
Gleichwohl hatte die Lagerung auf Spitzbergen schon von Beginn an ihre Tücken. Durch die Bauarbeiten wurde das Berginnere künstlich erwärmt und der Permafrost dadurch zurückgedrängt. Die Kälte musste sich erst wieder ausbreiten, und sie tat das langsamer als erwartet. Noch immer hat sich im Verbindungstunnel keine durchgängige Eisfläche gebildet.
Die Betonrisse überall im Boden, entstanden durch Tauwasser, wurden durch ein technisches Update vollständig behoben, so Direktor Schmitz. Für 20 Millionen Euro wurden der betroffene Eingangsbereich sowie der Verbindungstunnel zu den Lagerräumen inklusive Kühlsystem erneuert. Die Sanierung kostete damit fast dreieinhalb Mal mehr als der ursprüngliche Bau.
Die Arbeiten begannen im Frühjahr 2018 und wurden Ende 2019 abgeschlossen. Seitdem schaut Direktor Schmitz wieder sorgenfreier in die Zukunft: Ende Februar 2020 lagerten internationale und regionale Samenbanken sowie 35 nicht-staatliche Organisationen (darunter die «Cherokee Nation») in Svalbard wieder Saatgut ein.
Zu den Unterstützern des Global Crop Trust gehören Einzelstaaten wie zum Beispiel Ägypten, Australien und Brasilien. Der Kapitalstock beträgt derzeit etwas mehr als 300 Millionen US-Dollar. Die knapp 12 Millionen US-Dollar Spende der Schweiz sind da nicht mehr als ein symbolischer Betrag; zu den grössten Geldgeber gehören Norwegen und Deutschland.
Bis jetzt haben in den Fonds auch Stiftungen und Unternehmen eingezahlt, wenngleich «die Spenden der Privatwirtschaft zu vernachlässigen sind», bilanziert Direktor Schmitz. Er hofft, «dass die Privatwirtschaft sich künftig stärker engagiert. Geld stinkt nicht!» Verbinden würde der Crop Trust-Chef dies aber mit einer Bedingung: «Dass mit dem Geld keinerlei Einfluss auf seine Verwendung verbunden ist.»