- Klappmützenrobben sind Tauchkünstler. Sie tauchen bis zu 1000 Meter tief und 60 Minuten lang, ohne Luft zu holen.
- Ihre Jungen lernen innert Tagen zu schwimmen und zu tauchen.
- Blut und Muskeln der Robben sind dafür ausgerüstet, viel Sauerstoff zu speichern, um lange Tauchgänge zu bewältigen.
- Klappmützenrobben können ihren Stoffwechsel herunterfahren, ihr Gehirn abkühlen und Organe, die nicht benötigt werden, quasi ausschalten.
Wenn wir Menschen ohne Sauerstoff auskommen müssen, dann ist schnell Schluss. Untrainierte können zwei oder drei Minuten den Atem anhalten, der Weltrekord liegt bei immerhin elfeinhalb Minuten. Gegenüber den Tauchkünstlern aus dem Tierreich ist aber auch das kläglich.
Auf Eisschollen geboren
Klappmützenrobben zum Beispiel können eine Stunde unter Wasser bleiben. Der Biologe Lars Folkow von der norwegischen Universität Tromsø untersucht, wie sie das schaffen. «Die Robben sind geborene Schwimmer und Taucher», sagt er.
Das müssen sie auch sein. Die Weibchen der Klappmützenrobben bringen ihre Jungen in der Arktis auf schwimmenden Eisschollen zur Welt. Sie säugen ihr Baby drei bis vier Tage lang, dann lassen sie es auf dem Eis zurück. Die Muttermilch ist so fett, dass die Jungen in dieser Zeit ihr Geburtsgewicht mehr als verdoppeln, von 20 Kilo auf 50 Kilo. Innert Tagen können sie tauchen.
Die Tricks der Robben
Eine ausgewachsene Robbe muss zwei Dinge beherrschen, um lange tauchen zu können, sagt Lars Folkow: Sie muss so viel Sauerstoff wie nur möglich speichern und damit so lange wie möglich auskommen.
1. Viel Sauerstoff speichern
So speichern die Robben viermal mehr Sauerstoff als ein Mensch:
- Klappmützenrobben haben doppelt so viel Blut pro Kilogramm Körpergewicht wie ein Mensch. In jedem Liter Robbenblut schwimmen doppelt so viele rote Blutkörperchen. Diese speichern und transportieren den Sauerstoff.
- Die Muskeln der Robben sind vollgestopft mit Myoglobin, einem Eiweiss, das Sauerstoff speichert. Myoglobin enthält Eisen. In den Robbenmuskeln steckt so viel davon, dass ihr Fleisch schwarz gefärbt ist.
2. Mit wenig Sauerstoff auskommen
So kommen die Robben möglichst lange mit ihrem Sauerstoff aus:
- Eine Robbe auf Tauchgang schaltet unnötige Organe quasi ab: etwa die Niere oder die Verdauungsorgane, selbst die Lunge, da auch sie nicht gebraucht wird. Die Robbe speichert den Sauerstoff vollständig in Blut und Muskeln und atmet ganz aus, bevor sie in die Tiefe aufbricht. So kommt sie ohne störenden Auftrieb nach unten.
- Im Extremfall drosselt die Robbe ihren Stoffwechsel auf zehn Prozent des Normalwerts. Dann schlägt ihr Herz noch drei- bis viermal pro Minute – und das während einer athletischen Höchstleistung.
- Unter diesen Umständen kommt die tauchende Robbe in den anaeroben Bereich: Ihre Muskeln arbeiten ohne Sauerstoffversorgung. Sie produzieren dann Milchsäure. Diese Säure verträgt der Körper nicht beliebig lang. Taucht eine Robbe nach einem Tieftauchgang mit viel Milchsäure im Körper auf, muss ihr Organismus diese vor dem nächsten Exploit erst wieder abbauen.
3. Sauerstoffmangel aushalten
Doch all diese Tricks reichen nicht: Während eines langen Tauchgangs sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut auf einen Wert, bei dem ein Mensch bewusstlos würde.
So geht die Robbe mit dem Sauerstoffmangel um:
- Sie schaltet selbst im Gehirn jene Teile ab, die nicht unbedingt benötigt werden.
- Nervenzellen einer Robbe können einen Sauerstoffmangel bis zu 50 Minuten gut durchstehen. Zum Vergleich: Neuronen von Ratten sterben nach fünf bis zehn Minuten ab.
- Die Robbe schützt ihr Gehirn vor den Auswirkungen des Sauerstoffmangels, indem sie es um zwei bis drei Grad abkühlt. Sie lässt dazu das Blut durch das Gefässnetz in den Flossen zirkulieren, wo es vom kalten Meerwasser heruntergekühlt wird. Diese Kälte gibt das Blut ans Gehirn weiter. Sinkt bei einem Menschen die Gehirntemperatur so tief, weil er unterkühlt ist, wird er bewusstlos.
Lars Folkow vermutet, dass selbst diese Massnahmen nicht ausreichen, um die beeindruckenden Tauchleistungen der Klappmützenrobbe restlos zu erklären. Wahrscheinlich hat sie noch weitere Tricks auf Lager, die der Forscher noch entdecken will.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 27.5.17, 12:40 Uhr