Wir beachten ihn kaum und reagieren angeekelt, wenn einer über den Weg kriecht: Der Regenwurm hat wahrlich nicht viele Fans.
Dabei haben wir es ihm zu verdanken, dass auf den Feldern Jahr für Jahr Getreide, Gemüse und Gras gedeihen.
Keine Regenwürmer: eine Katastrophe
«Eine Welt ohne Regenwürmer wäre vermutlich noch drastischer als eine Welt ohne Bienen», sagt Agrarökologe Lukas Pfiffner vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Denn: «Regenwürmer sind die Baumeister fruchtbarer Böden.»
In einem Quadratmeter humusreichem, sorgfältig bewirtschaftetem Schweizer Ackerboden leben 120 bis 150 Regenwürmer. Bei Biobauern können es 50 bis 80 Prozent mehr sein. Das haben langjährige Untersuchungen des FiBL gezeigt.
Keine Artenliste, keine Lobby
Die Regenwürmer der Schweiz verteilen sich auf etwa 40 Arten. Genau weiss man es nicht, denn es existiert keine offizielle Artenliste. Pfiffner bedauert das, aber eben: «Für Regenwürmer gibt es definitiv keine Lobby.»
Nach ihrer Lebensweise teilt man die Regenwurmarten in drei Gruppen ein. Die erste lebt in der obersten Schicht. Die zweite gräbt horizontale Gänge. Und die dritte baut senkrechte Wohnröhren.
Kaum jemand ist stärker
Vor allem die tief grabenden Würmer arbeiten wie lebendige Pflüge. Sie lockern den Boden und durchmischen seine Schichten. Das braucht viel Muskelkraft.
Der Regenwurm sei ein richtiger Kraftprotz, meint Lukas Pfiffner. Im Verhältnis zu seiner Grösse ist er eines der stärksten Tiere der Welt, vermag er doch das 50- bis 60-Fache seines Körpergewichts zu stemmen.
Wurmgänge haben viele Funktionen
So bohrt er Tunnels, über die Luft und Wasser unter die Erde strömen. Auch Pflanzenwurzeln nutzen die Wurmgänge, um ohne Widerstand in die Tiefe zu dringen.
Die Wurzeln finden hier nicht nur Wasser, sondern auch Dünger. Denn die Gänge sind mit nährstoffreichem Wurmkot tapeziert.
Wurmkot als erstklassiger Dünger
Die Ausscheidungen der Regenwürmer sind reich an Stickstoff, Phosphor und Kalium. Bis zu zehn Kilogramm Kot setzen sie jährlich pro Quadratmeter ab – im Boden und an der Oberfläche. Das ergibt eine mehrere Millimeter dicke Schicht.
Hergestellt wird diese Wurmerde durch den Abbau von toten Pflanzenteilen. Dabei werden die darin enthaltenen Nährstoffe frei und stehen neuem Leben wieder als Bausteine zur Verfügung.
Unter der Erde pulsiert das Leben
Diesen Recyclingprozess schafft der zahnlose Regenwurm allerdings nicht alleine. Er ist auf Mikroorganismen angewiesen, die das Material vorverdauen.
Regenwürmer teilen ihren unterirdischen Lebensraum nämlich mit unzähligen anderen Organismen. Man sagt, in einer Handvoll Erde gäbe es mehr Lebewesen als Menschen auf der Welt – laut Pfiffner eine passable Schätzung.
Viele Winzlinge und ein unterschätzter Riese
Die meisten Bodenlebewesen sind winzig: Bakterien, Pilze und Algen – von blossem Auge nicht zu erkennen. Im Vergleich zu ihnen ist der Regenwurm ein Riese.
Entsprechend viel trägt er dazu bei, dass der Kreislauf des Lebens nicht ins Stocken gerät. «Regenwürmer gehören zu den zentralen Bodentieren, die wesentlich zu fruchtbaren Böden beitragen», sagt Agrarökologe Lukas Pfiffner.
Oder wie Evolutionstheoretiker Charles Darwin vor über 100 Jahren schrieb: «Man kann wohl bezweifeln, dass es noch viele andere Tiere gibt, die eine so bedeutende Rolle in der Geschichte der Erde gespielt haben wie diese niedrig organisierten Geschöpfe.»