Waipoua Forest. Auf der Nordinsel Neuseelands liegt einer der aussergewöhnlichsten Orte Down Under. Der Name bedeutete in der Māori-Sprache soviel wie «Regenwald». Das grüne Paradies ist die Heimat seltener Vögel, vor allem aber turmhoher Waldriesen, den Kauri-Bäumen.
16 Menschen für eine Umarmung
Ein magischer Ort. Tane Mahuta, der «Gott des Waldes», ragt kerzengerade 51 Meter hoch in den Himmel und ist zwei- bis dreitausend Jahre alt. Nicht weit entfernt Te Matua Ngahere. Mindestens 16 Menschen sind nötig, um den «Vater des Waldes» zu umarmen.
Wie alle Kauri-Bäume haben sie im Laufe der Jahrhunderte die unteren Zweige abgeworfen. Ihre Stämme sind absolut astfrei – ausgenommen die Baumkrone.
Götter, zu Gerippe geworden
Doch die Bäume sind durch ein winziges Bakterium bedroht, über das bis heute nur wenig bekannt ist. Die Krankheit wird als «Kauri dieback disease» bezeichnet.
Sie macht aus den gewaltigen Bäumen kahle, verhungerte Gerippe, deren direkt unter der Oberfläche liegende Wurzeln verfaulen. Ein Heilmittel ist bis heute nicht gefunden worden.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Krankheit durch Wanderschuhe, Fahrräder, Pferdehufe oder Tiere übertragen wird. Deshalb hat die Forstbehörde zum Schutz der Kauribäume auch im Waipoua Forest Reinigungsstationen mit Bürsten und Desinfektionsmittel aufgestellt, die jeder benutzen muss, der in den Wald will.
Der Tourismus zerstört, was er entdeckt?
Mindestens ein Fünftel dieser Koniferen ist von dem Bakterium befallen. Innerhalb von fünf Jahren ist die Infektionsrate von 8 auf 19 Prozent gestiegen: Vor allem dort, wo Menschen auf Wanderwegen durch die Kauriwälder marschieren.
Kürzlich ist nahe der Grossstadt Auckland der erste Park für Besucher geschlossen worden, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Die Massnahme, die mit der Kommune und dem Māori-Stammesrat abgestimmt wurde, stösst allerdings auf heftige Kritik des örtlichen Tourismusverbandes. Die Touristiker fürchten, ihre Hauptattraktion zu verlieren.
Captain Cook und die Kauri
Dabei war Tane Mahuta schon gross und mächtig, bevor James Cook 1769 die Nordinsel entdeckte. Der britische englische Seefahrer und Entdecker liess damals Teile seines Schiffes mit dem haltbaren und ebenmässig gewachsenen Holz der Kauri-Bäume ausbessern.
Später folgten immer mehr Bootsbauer Cooks Beispiel. Schiffsladung um Schiffsladung von Kauriholz wurde exportiert. 93 Prozent der mythischen Vorfahren Neuseelands fielen der Holzindustrie zum Opfer. Erst 1972 wurde dem Kaurifällen ein Ende bereitet.
Verbindung zu früher
Für die Māori stellen die Kauri-Bäume eine Verbindung zur spirituellen Welt ihrer Vorfahren her. Wenn ein Baum fällt, stirbt ein Mensch, heisst es der Überlieferung nach.
Heute sind Tane Mahuta und Te Matua Ngahere ein nationales Denkmal im Waipoua Forest. Vielleicht haben die neuseeländischen Ureinwohner Māori nicht nur hier etwas bewahrt, was andere verloren haben, sagt der Māori Koro Carman, der durch den Waipoua Forest Besucher führt. Zu wissen, woher man kommt. Um sich zu vergewissern, wohin man geht.