Von Rhodos bis nach Bitsch stehen Waldgebiete in Flammen. Die Natur wird schlagartig zerstört. Doch wie fatal sind solche Feuer für die Wälder auf lange Sicht? «Vorerst entsteht ein riesiger Schaden, das ist klar: Schutzwald oder Nutzwald gehen verloren», sagt der Waldökologe Thomas Wohlgemuth von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Aber wie sich die Gebiete in den nächsten Jahrzehnten verändern, könne überraschen.
Seltene Arten erobern kahle Flächen
Das zeigt auch der Blick zurück: Nach einem der grössten Waldbrände in der Schweiz, wo sich oberhalb von Leuk vor 20 Jahren ein Feuer auf 300 Hektaren ausbreitete, strahlt die einst kahle Schneise heute grün. «Ökosysteme sind unterschiedlich resilient, das heisst sie können sich von sogenannten Störungen wie Waldbrände früher oder später erholen», erläutert Wohlgemuth.
Nach einer solchen «Natur-Verletzung» verändern sich die Zusammensetzung und Vielfalt der Arten deutlich. Dabei ist der Boden als Keimgrundlage für die neue Generation ein wichtiger Faktor. Durch die Verbrennung der Humusauflage entsteht Asche: Der pH-Wert steigt dadurch an und kurzfristig stehen den neu ankommenden Pflanzen auch mehr Nährstoffe zur Verfügung. Sprich: Auf der offenen Fläche herrschen ganz andere Bedingungen als davor im schattigen und dichten Nadelwald.
So können nun Arten wachsen, die sich davor kaum durchsetzen konnten. Wohlgemuth und seine Mitarbeitenden entdeckten in Leuk unter anderem den seltenen Erdbeerspinat, eine ausgestorben geglaubte Kulturpflanze.
Vermutlich haben seine Samen im Boden überdauert und dann den richtigen Zeitpunkt gefunden, um an der Oberfläche zu spriessen. «Brände legen sozusagen das Biodiversitäts-Potenzial eines Gebiets frei», so der Experte. Ähnlich nach dem Waldbrand 1943 am Calanda bei Chur. Die seltene Pflanze namens Böhmischer Storchschnabel, die an ihren blauvioletten Blüten zu erkennen ist, konnte sich dort plötzlich ausbreiten.
Blütenmeer für Insekten
Von dem Blütenmeer und den Gräsern profitieren auch Käfer, Heuschrecken oder Bienen. «Ein faszinierender Prozess, wie Vielfalt noch mehr Vielfalt erzeugt.» So lautet die vielleicht leicht positive Nachricht der feurigen Katastrophen: Zeitweise ist die Biodiversität in den Brandgebieten deutlich höher als im angrenzenden intakten Wald.
Beschönigen will der Waldökologe aber nichts. Denn mit den Waldbränden steige auch das Risiko für Bodenerosion und Steinschläge. Je nach Wetter, mit fatalen Folgen. Oberhalb von Leuk hatte man damals Glück und Starkregen blieben aus. Anders in Visp, wo 2011 rund 150 Hektaren Wald niederbrannten. Dort kam es noch im selben Jahr nach starken Niederschlägen zu einem Erosionsereignis, das die darunterliegende Kantonsstrasse betraf.
Bis nach Waldbränden wieder Bäume die Oberhand gewinnen, kann es mehrere Jahrzehnte dauern. Das Beispiel im Wallis von 2003 zeigt zudem, dass Flaumeichen und Lärchen einen Waldbrand deutlich besser überstehen als Waldföhren und Fichten.
Welche Pflanzen und Tiere damit am besten zurechtkommen und welche Bäume im Wald der Zukunft stehen werden, wird den Waldökologen Thomas Wohlgemuth wohl noch länger beschäftigen. Denn die Regenerationsfähigkeit der Natur wird bei zunehmenden Extremereignissen immer wichtiger.