In Alaska kann in kalten Winternächten das Thermometer auf minus 40 Grad Celsius sinken. In der klirrenden Kälte zu überleben, ist für Tiere eine grosse Herausforderung. Der Arktisbiologe Brian Barnes an der Universität von Alaska in Fairbanks erforscht, wie Tiere solche Minustemperaturen überstehen – so auch die Wespenköniginnen, die sich mit einem komplizierten Verfahren schützen: der gezielten Unterkühlung.
Eine Strategie mit Risiken
Die Insekten nutzen ein physikalisches Phänomen: Damit Wasser gefriert, braucht es einen Ansatzpunkt, an dem die Eiskristalle zu wachsen beginnen. Zum Beispiel ein Staubkorn oder ein Bakterium. In der Fachsprache nennt man dies Nukleationskeim. Ist Wasser aber rein und befreit von solchen Keimen, gefriert es erst ab minus 40 Grad. Diesen Effekt nutzen die Wespen, denn sie können sich aller Nukleationskeime entledigen.
Doch die Unterkühlung birgt Gefahren: Wenn nur ein einziger Nukleationskeim, ein Staubhärchen oder ein Eiskristall in Mund oder Hinterteil eindringt, ereilt die Wespe der Tod durch Erfrieren. Dazu kommt: Die Unterkühlungsstrategie funktioniert nur bis minus 20 Grad – ein weiterer Trick ist notwendig.
Laub als Kälteschild
«Die Wespen kriechen im Herbst, bevor Schnee gefallen ist, unter das Laub auf dem Boden», sagt Biologe Barns, «dort verbeissen sie sich in ein herabhängendes Blatt. Dann stossen sie mit den Beinen alles um sich herum weg, bis sie frei am Blatt baumeln, ziehen die Beine ein und lassen sich unterkühlen.» In diesen Laubhöhlen fallen die Temperaturen kaum unter minus 20 Grad. Und: Das Baumeln am Blatt hat einen weiteren Vorteil. Die Wespen vermindern so das Risiko, dass Nukleationskeime in ihr Inneres eindringen.
Stören uns die kleinen Brummer wieder einmal beim Zmorge, hilft der Gedanke an dieses alljährliche Wunder in Alaska. Zumal die Wespen dort gern gesehen sind, wie Barnes erklärt: Neben dem Schinken vom Frühstückstisch fressen sie nämlich auch Stechmücken, und die nerven wirklich.
(Bearbeitung: Matthias Probst)