Wenn heute Bertrand Piccard mit seinem Solarflugzeug um die Welt fliegt, erntet er Anerkennung und Applaus. Die Sonnenenergie wird als Energiequelle ernst genommen, sie ist mittlerweile fester Bestandteil von nationalen Energiestrategien, so auch in der Schweiz. Im Jahr 2050 soll hierzulande bis zu einem Sechstel des Strombedarfs aus Solarenergie gedeckt werden. Noch vor 30 Jahren war das ganz anders.
«Solarenergie ist unerwünscht»
Damals waren Solarpanels sehr teuer und nur besonders Überzeugte wollten sich das leisten. In der Öffentlichkeit war diese Technik kaum präsent. Mehr noch: «Innovationen im Bereich der Sonnenenergie waren unbekannt oder sogar unerwünscht», erinnert sich Urs Muntwyler, Professor für Fotovoltaik an der Berner Fachhochschule.
Er und seine Mitstreiter von der Bernischen Vereinigung für Sonnenenergie suchten deshalb nach kreativen Lösungen, um mehr Menschen für diese Technik zu begeistern. Die Solarpanels sollten dafür zu den Leuten gebracht werden.
Ein Rennen quer durch die Schweiz
«Die Idee war, eine Art Roadshow zu organisieren, die dann auf den Plätzen in Dörfern und Städten als mobile Ausstellung funktioniert», erzählt Urs Muntwyler. Fahrende Solarpanels auf Rädern quasi. Und wenn man die Panels gleich auf die Fahrzeuge montiert, damit die mit dem Solarstrom fahren können?
Die Idee war ziemlich exotisch damals, es gab weltweit nur eine Handvoll solar betriebener Fahrzeuge. Doch es funktionierte: Um die Show spannender zu machen, wurde ein Rennen organisiert und die Aufmerksamkeit war gross. Weltweit berichteten die Medien über die «Tour de Sol», die im Juni 1985 in fünf Tagesetappen von Romanshorn nach Genf führte.
Seifenkisten mit viel Technik
Die Schaulustigen kamen zahlreich und säumten die Strecke; Familienausflüge wurden organisiert, man sass auf Klappstühlen an der Strasse und wartete auf die Fahrzeuge mit den leise surrenden Elektromotoren. Viele Gefährte sahen wie in Bastelkellern zusammengebaute Seifenkisten aus. Und das waren die meisten Fahrzeuge auch tatsächlich.
Wenn auch sehr gut gemachte Seifenkisten, vollgestopft mit Technik, damit der Strom der Solarpanels auch richtig für den Antrieb genutzt werden konnte. Viele Teilnehmer waren aus Spass an der Sache dabei und alle waren sie Tüftler und Bastler. «Wer kein Tüftler war, kam nicht ins Ziel» erzählt Urs Muntwyler.
Die Zukunft gehört den Solarfahrzeugen
Die «Tour de Sol» konnte zeigen, dass solar betriebene Elektrofahrzeuge tatsächlich funktionieren, selbst mit dem oft nicht sehr sonnigen Schweizer Wetter. Bis 1993 wurde die Tour jedes Jahr durchgeführt und die Strecken wurden immer anspruchsvoller. Selbst über den Gotthard mussten die Fahrzeuge fahren können – und sie schafften es auch. Bereits wurde euphorisch von einem neuen Zeitalter der Mobilität geschwärmt, die Zukunft werde den Solarfahrzeugen gehören.
Im Alltag haben sie sich dann aber nicht durchsetzen können. Zu gross und zu schwer wird ein Solarfahrzeug, das ähnliche Sicherheit und Komfort bieten kann wie ein Benziner. Elektroautos der neusten Generation unterscheiden sich in diesen Punkten aber mittlerweile kaum mehr von benzingetriebenen Fahrzeugen.
Den Herstellern ist klar, dass der Energiehunger der Elektromotoren sowieso aus dem normalen Stromnetz gedeckt werden muss, ein Solarpanel auf dem Dach würde die Fahrer nicht weit bringen. Der Kreis schliesst sich aber dann wieder, wenn genügend Solarenergie im Netz vorhanden ist. Dann wird auch ein moderner Elektrosportwagen zum Solarfahrzeug.
Eine Tour mit Nachwirkungen
Obwohl sich das Konzept des Solarfahrzeugs nicht durchgesetzt hat, sind die Nachwirkungen der «Tour de Sol» zahlreich. Sie trug dazu bei, dass Solarstrom heute ernst genommen wird, auch in der Politik. Und zahlreiche Firmen wurden von den damaligen Tüftlern gegründet, KMUs die sich erfolgreich im Umfeld der Solartechnik und der Elektromobilität behaupten und ihre Produkte in die ganze Welt verkaufen.