10. Januar 1995
Didier Queloz, Doktorand der Universität Genf, arbeitet am Observatoire de Haute-Provence in Südfrankreich. In der Nacht richtet er sein Teleskop gen Westen, auf den Stern 51 Pegasi. Es ist ein sonnenähnlicher Stern im Sternbild Pegasus, zirka 50 Lichtjahre von der Erde entfernt.
Nach der Messung analysiert der junge Forscher das Sternenlicht und stellt fest: Es ist nicht konstant, sondern es variiert. So, als würde sich der Stern auf die Erde zubewegen. Bei der nächsten Messung sieht es dann so aus, als bewege sich der Stern von der Erde weg. «Als ich diese Variation gesehen habe, habe ich richtig Angst bekommen», erzählt er. «Ich dachte, irgendetwas stimmt nicht mit dem Messinstrument, und ich bin schuld daran. Meinem Doktorvater Michel Mayor habe ich nichts davon erzählt. Es war mir zu peinlich.»
Im März
Nach wochenlangem Brüten kommt Didier Queloz zum Schluss: Die seltsame Kurve ist kein Messfehler, sondern es ist ein Planet, der den Stern 51 Pegasi umkreist. Er zieht mit seiner Schwerkraft am Stern und bringt ihn so zum Torkeln. Darum bewegt sich der Stern mal ein bisschen auf die Erde zu, mal ganz leicht von ihr weg.
Didier Queloz schreibt Michel Mayor, der gerade auf Hawaii weilt, eine Email und berichtet von seinem spektakulären Fund. Der erfahrene Forscher antwortet: «Ja, vielleicht… Aber lass uns erst noch einmal nachmessen.»
Anfang Juli
Endlich ist das Sternbild Pegasus wieder am Himmel zu sehen. Die beiden Schweizer Forscher reisen mit ihren Familien nach Südfrankreich ans Observatorium. Vier Nächte lang nehmen sie 51 Pegasi ins Visier. Nacht für Nacht prüfen sie, ob die Messungen mit den früheren Werten übereinstimmen.
Dann endlich ist ihnen klar: Sie haben den ersten Planeten entdeckt, der um eine andere Sonne kreist. Willkommen 51 Pegasi b! Die Sensation ist perfekt. Es gibt Kuchen und Schaumwein.
29. August
Beiträge zum Thema:
Didier Queloz und Michel Mayor reichen einen Artikel zu ihrem spektakulären Fund beim Fachmagazin «Nature» zur Publikation ein. Sie haben einen Planeten gefunden, der schwer und gasförmig ist wie Jupiter, der aber extrem nahe und schnell um seinen Stern herumsaust. Ein Jahr dauert auf Pegasi 51 b nur 4,2 Tage. Nach der damaligen Theorie dürfte es einen solchen Planeten nicht geben. Also versuchen die zwei Schweizer, alle Einwände zu entkräften, die ihre Kollegen haben könnten: Zum Beispiel, dass der Stern nur pulsiert und so einen Planeten vortäuscht. Oder dass ein Planet auf dieser Bahn gar nicht stabil sein kann, weil sein Gas vom Stern weggeblasen wird.
Ausserdem müssen sie aufpassen, dass niemand von ihrer sensationellen Entdeckung Wind bekommt. «Einen Planeten, der in nur vier Tagen seinen Stern umkreist, kann man leicht entdecken. Man muss ja nur vier Nächte messen, um die Kurve zu haben», sagt Didier Queloz. «Uns war sofort klar: Unsere amerikanischen Kollegen können das auch. Und wenn sie es tun, dann ist es vorbei. Da kam wirklich Panik bei uns auf.»
6. Oktober
An einer Konferenz in Florenz stellen die beiden Forscher ihren Fund schliesslich der Wissenschaftsgemeinde vor. Die Kollegen sind baff. Die Neuigkeit spricht sich rasch herum.
Auch bis zu Geoff Marcy von der Universität Berlekey in Kalifornien, einem der wichtigsten Planetenjäger der Welt. Der ist skeptisch, denn es hatten schon viele andere behauptet, einen extrasolaren Planeten entdeckt zu haben. Doch diese Ankündigungen hatten sich immer als falsch erwiesen. «Ich dachte: ‹Oh nein, wie schrecklich, schon wieder eine falsche Behauptung. Wie kann es so einen Planeten mit einer solchen Umlaufzeit geben. Jeder weiss, dass das unmöglich ist.›»
Mitte Oktober
Geoff Marcy will es genau wissen. Schon in der Woche drauf misst er mit dem Teleskop auf dem Mount Hamilton nach. Und tatsächlich: Auch er sieht dieselbe Kurve – den Beweis für die Existenz eines Planeten um den Stern 51 Pegasi. Es gibt keine Zweifel. Überglücklich informiert der amerikanische Forscher seine Kollegen in der Schweiz und rund um die Welt. Dann taucht er ein in den Medienrummel. Er ist ein gefragter Mann, denn die beiden Schweizer dürfen nicht mit Journalisten und der Öffentlichkeit reden.
Ihr Fachartikel für «Nature» ist nämlich noch unter Embargo. Eine unangenehme Situation. «Jeder x-beliebige Forscher durfte unsere Entdeckung kommentieren, nur wir selbst nicht», sagt Michel Mayor. Schliesslich hat «Nature» dann eingesehen, dass das lächerlich ist, und die Sperrfrist aufgehoben, zwei Wochen vor der eigentlichen Publikation.
23. November
Endlich erscheint der Fachartikel in «Nature»>. Doch noch immer sind viele Kollegen nicht überzeugt davon, dass die beiden Schweizer tatsächlich einen Exoplaneten gefunden haben.
30. Dezember
«Der Planet 51 Pegasi b erschien uns damals sehr seltsam», sagt Michel Mayor. «Wenn es nur diese eine Entdeckung gegeben hätte, dann wäre seine Bedeutung wohl nicht so gigantisch gewesen.»
Damit endete das Planetenjahr 1995. Es läutete eine neue Ära in der Astronomie ein. In den kommenden 20 Jahren entdeckten Forscher Tausende von Exoplaneten. So wissen wir heute: Der Himmel hängt nicht nur voller Sterne. Sondern auch voller Planeten.