510 Millionen Kilometer entfernt von der Erde wird am Mittwoch das kühlschrankgrosse Mini-Labor Philae durchs All schweben – und auf einem Kometen landen. Es ist eine Premiere in der Geschichte der Raumfahrt. Ein wagemutiges Unterfangen und die heikelste Aufgabe der Rosetta-Mission.
Hohes Risiko bei der Landung
Techniker und Wissenschaftler aus ganz Europa haben über 20 Jahre lang auf diesen Tag hingearbeitet. Alles ist vorbereitet: Die Esa-Sonde Rosetta und ihr Landemodul Philae sind in bestem Zustand. Der Landeablauf wurde auf Philaes Bordcomputer hochgeladen. Das Timing steht. Dennoch sind die Beteiligten unter Strom: «Dass wir den Kometen treffen, da bin ich relativ sicher. Aber bei der Landung haben wir ein deutlich höheres Risiko», sagt Stephan Ulamec, Projektleiter für Philae im Interview . Der Lander könnte umkippen, oder ein Felsbrocken im Weg liegen. «Das wäre dann das Ende der Mission».
Bei 70 bis 75 Prozent liege die Wahrscheinlichkeit, dass der Touchdown klappt, schätzten Experten bei der Ankündigung des Landeplatzes Anfang September. Einige Wochen zuvor hatten die Wetten noch besser gestanden. Aber mit den ersten Bildern, die Rosetta von Tschuri – wie der Komet oft liebevoll genannt wird – geschossen hat, war klar: Es wird nicht einfach. Der Komet ist viel zerklüfteter als ursprünglich angenommen.
Landeplatz mit Kompromissen
Der Landeplatz musste für die Landung möglichst flach sein. Und möglichst offen, damit der Funkkontakt mit Rosetta funktioniert. Die Sonde übermittelt die Daten zwischen Lander und Erde. Der gefundene Ort sei nicht der beste, den sich die Experten gewünscht hatten, aber der beste, den sie finden konnten, lautete es. Mittlerweile hat er sogar einen Namen: Agilkia.
Etwa 22 Kilometer weit wird Philae zu Agilkia fliegen. Um 9:35 Uhr geht es los, dann koppelt ihn der Orbiter Rosetta ab und Philae fällt auf sein Ziel. Etwa sieben Stunden wird er unterwegs sein, bevor er seine Anker-Harpunen auswerfen und sechs Eisschrauben in den Kometen hinein bohren kann. Sobald er den Boden berührt, schickt der Lander das Touchdown-Signal zum Hauptkontrollraum der Esa in Darmstadt. Dort kommt es 28 Minuten und 20 Sekunden später an. So lange dauert es, bis das Signal die weite Strecke zur Erde zurückgelegt hat.
Das wäre der Moment, in dem im Kontrollraum Jubel ausbrechen sollte – das dritte Mal in diesem Jahr. Wenn alles klappt, wird es der lauteste. Denn die Landung auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko ist die letzte grosse Herausforderung der Rosetta-Mission.
Bisher ist alles geglückt
Den ersten Jubel gab es im Januar 2014. Zehn Jahre war Rosetta da schon im All unterwegs gewesen, hatte drei Mal die Erde und einmal den Mars umrundet, um sich genügend Schub zu holen, damit sie die Umlaufbahn des Kometen Tschury erreichen konnte. Dann verfolgten Esa-Mitarbeiter und Wissenschaftler aufgeregt, ob die Raumsonde nach zweieinhalbjährigem, energiesparendem Tiefschlaf ihr System wie programmiert wieder starten würde – sie tat es.
Im August dann erneutes Bangen: Die Raumsonde erreichte endlich die Umlaufbahn des Kometen und musste so abgebremst werden, dass sie im Schritttempo neben ihm herfliegen kann. Auch das hat geklappt.
Suche nach den Bausteinen des Lebens
Seither sausen die beiden mit über 60‘000 Kilometern pro Stunde durchs All. Rosetta umkreist «Tschuri» ständig und hat sich zeitweise gar bis auf zehn Kilometer genähert – so nah kam noch keine Raumsonde zuvor einem Kometen. Ihre elf Mess-Instrumente holen dabei ständig Daten über den altertümlichen Himmelskörper ein und senden sie zur Erde. Sie sollen Antworten für die grosse Frage der Rosetta-Mission liefern: Kamen das Wasser die Bausteine des Lebens – Aminosäuren – einst durch Kometen auf die Erde?
Erste wissenschaftliche Ergebnisse von Rosetta gibt es bereits. Doch mit Philae soll nun erstmals eine Sonde direkt auf dem Kometen Untersuchungen machen. Der Lander hat dafür zehn Instrumente an Bord, die den Kometen fotografieren, sein Inneres erforschen und Aufschluss über die chemische Zusammensetzung geben sollen. «Wenn wir erst mal die Landung geschafft haben, startet das volle Wissenschaftsprogramm», kündigt ESA-Projektwissenschaftler Matt Taylor an.
Treuer Begleiter
Philae startet mit den wissenschaftlichen Experimenten direkt nach der Landung. Die Zeitspanne, die dem Mini-Labor dafür bleibt, könnte kurz sein. Im Idealfall jedoch begleitet es den Kometen auf seiner Reise bis er im April 2015 seinen sonnennächsten Punkt erreicht. Dann verglüht der Lander. Mission erfüllt.