Zum Inhalt springen
Audio
Gene Drive – Streit um Eingriff ins Erbgut
Aus Wissenschaftsmagazin vom 25.05.2019. Bild: imago/science photo library
abspielen. Laufzeit 27 Minuten 56 Sekunden.

Gene Drive Lästige Mücken durch Gentechnik auslöschen?

Mücken, die sich selbst ausrotten: Das soll mit neuer Gentechnik möglich sein. Doch das Verfahren ist umstritten.

Forscher schleusen ein Gen in das Erbgut eines Organismus ein, etwa einer Mücke. Mit einer Art Kopiermechanismus wird dieses neue Gen an alle Nachkommen vererbt. Dieser Mechanismus nennt sich «Gene Drive».

Damit könnte man zum Beispiel alle Grillen hierzulande oder sämtliche Malaria-Mücken in Westafrika auf Dauer genetisch verändern. Und zwar genau so, wie der Forscher es will.

Konkret arbeiten in London Wissenschaftler daran, Malaria-übertragende Mücken per Gene Drive unfruchtbar zu machen. Damit sollen Mücken und Malaria ausgerottet werden.

Elegante Lösung vieler Probleme

Der US-amerikanische Forscher Kevin Esvelt vom Massachusetts Institute of Technology MIT sagt: Es sei ihm 2013 als erster aufgegangen, dass es möglich wäre, ein solches Werkzeug im Labor zu bauen.

Er sei vor lauter Begeisterung gar nicht mehr zur Ruhe gekommen: Malaria ausrotten, Ratten nicht mehr mit Gift oder Mäuse mit Fallen töten, invasive Arten zurückdrängen – viele Probleme könnte man so eleganter lösen, indem man sie «mit den Mitteln der Natur» anpacke.

Am nächsten Morgen war die Begeisterung weg. Dafür war die Angst da.

Kevin Esvelt begriff: Ein Wissenschaftler allein konnte einen Gene Drive bauen und in die Natur entlassen. Eine erschreckende Vorstellung.

Seitdem setzt er sich dafür ein, dass die Forscher ihre Pläne offenlegen, bevor sie mit der Arbeit loslegen.

Gentechnik in der Wildnis

Doch Kritikern genügt das nicht. Die Biologin Ricarda Steinbrecher, die für die Nachhaltigkeitsinitiative Econexus in Oxford arbeitet, gehört zu den profiliertesten Kritikerinnen der Gentechnik weltweit.

Im Vergleich zur bisherigen Gentechnik sei Gene Drive von einer ganz neuen Qualität, sagt Steinbrecher. Gentechpflanzen waren für den Acker gemacht, also für ein begrenztes System.

«Bei Gene Drive will man nicht, dass es da bleibt, wo es freigesetzt wird. Es soll sich in der Wildnis verbreiten», so Steinbrecher.

Steinbrecher fürchtet, dass man die Risiken eines Gene Drives nicht abschätzen könne. Schliesslich bringe man der Mücke bei, sich schneller und einfacher genetisch zu verändern.

Strenge Regulierung gefordert

Dazu kommt: Auch wenn Mücken für uns lästig sind – für Vögel, die Mücken fressen, sehe das Bild sicher anders aus.

Steinbrecher fordert deshalb, dass Gene Drives genauer erforscht werden, bevor viel Geld in ihre Anwendung gesteckt wird. Sie sollen im Zweifel auch lieber strenger als laxer reguliert werden.

Kevin Esvelt kann viele der Bedenken nur schwer nachvollziehen. Viele Probleme seien technisch beherrschbar oder gar nicht so gravierend, wie befürchtet.

Was, wenn ein Fehler passiert?

Was ihm Sorgen macht: Was, wenn Forscher irgendwo auf der Welt einen Fehler machen? Gene-Drive-Organismen würden in die Umwelt gelangen und vor Ort womöglich tatsächlich Schaden anrichten.

Die Mücken würden etwa der lokalen Vogelpopulation als Nahrung fehlen und die Vögel verschwinden. Die Schäden seien zwar lokal begrenzt, sagt Esvelt. Aber er befürchtet, dass die Reaktion von Kritikern so heftig ausfallen würde, dass die ganze Technologie auf Jahrzehnte hinaus verboten werden könnte – und damit auch ihre Chancen ungenutzt bleiben.

Meistgelesene Artikel