Schneller surfen als bisher, ganz neue technologische Möglichkeiten eröffnen: 5G heisst das Heilsversprechen, das vor einer Überlastung der Mobilfunknetze schützen soll. Doch dafür reicht die derzeitige Mobilfunk-Infrastruktur in der Schweiz nicht aus. Sprich: Um den steigenden Anforderungen zu genügen, müssen Sendemasten stärker strahlen dürfen als bisher – und dafür müssten geltende Grenzwerte gelockert werden.
Ein technologischer Sprung nach vorne – aber mit Risiken und Nebenwirkungen für die Bevölkerung?
Sichtbarer Feind Mobilfunkantenne
Wenn es um die elektromagnetische Strahlung geht, sind die Ängste diffus – insbesondere, was Funkantennen anbelangt. Die grossen, sichtbaren Anlagen verunsichern stärker als das kleine, handliche Smartphone, das die meisten in der Tasche haben. Zu Unrecht: «Das Handy am Ohr bestrahlt bei schlechter Verbindungsqualität den Körper lokal bis 100'000 Mal mehr als dies typischerweise durch Antennen geschieht», sagt Umweltepidemiologe Martin Röösli aus Basel. 90 bis 95 Prozent unserer Strahlenbelastung entsteht so durch Handys oder Tablets, nur fünf bis zehn Prozent stammen aus der sogenannten Umweltstrahlung. Den Löwenteil der Strahlungsexposition hat also jeder selbst in der Hand. Es gilt die Faustregel: Mobilfunkgeräte möglichst weit weg vom Körper.
Uneindeutige Studienlage plus 5G als neue Unbekannte
Die noch vor zehn Jahren von US-Forschern errechnete Hirntumor-Epidemie wegen der Mobilfunknutzung ist ausgeblieben. Laut Krebsregister ist die Zahl der Hirntumoren in den letzten 15 Jahren etwa gleichgeblieben. Dennoch: Die Wissenschaft konnte den Beleg für eine absolute Unbedenklichkeit bislang noch nicht erbringen
Bei den meisten Studien handelt es sich um Tierversuche, bei denen Ratten oder Mäuse elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt sind, die deutlich über jener der Bevölkerung liegt. Hier zeigten sich tatsächlich häufiger bösartige Tumore in Gehirnen und Herzen. Für die einen ist das nicht übertragbar auf Menschen, für andere ein Indiz für ein Gesundheitsrisiko. Die Diskussion der Experten ist lange noch nicht abgeschlossen – wohlgemerkt: Es handelt sich um Studien hinsichtlich der Handynutzung, bei der die Strahlungsbelastung viel höher ist als durch Sendeanlagen.
Studien zur Schädlichkeit von Sendeanlagen gestalten sich als noch schwieriger – aus verschiedenen Gründen, vor allem aber, weil de facto die dauerhafte Belastung des Einzelnen so viel tiefer ist als die Grenzwerte und deshalb keine Folgen aufzuzeigen sind.
Was jedoch inzwischen über elektromagnetische Strahlung bekannt ist, gilt für 5G genauso, denn 5G wird mit ähnlichen Frequenzen geplant wie bisher. In Zukunft soll es aber auch höhere Frequenzen geben. «Diese Art der Strahlung dringt dann weniger tief in unseren Körper ein. Das ist grundsätzlich positiv. Jedoch rücken damit mögliche Effekte auf die Haut stärker in den Fokus», sagt Martin Röösli. «Dazu gibt es kaum Studien.»
Einige Studien zum Mobilfunk
Zweifelsfrei ausschliessen lässt sich damit nicht, dass es mit 5G zu bislang noch unbekannten Wirkmechanismen kommen kann – und dafür braucht es dann sehr wohl neue Forschung.
Grenzwert ist nicht gleich Grenzwert
Strengere Antennengrenzwerte führen zu einem dichteren Antennennetz und so zu einer besseren Verbindungsqualität. Und das bewirkt, dass Handys seltener maximal strahlen müssen. Das wäre positiv – doch es setzt voraus, dass Anbieter weitere Standorte suchen müssten. Weil die Strahlungsbelastung durch Sendemasten & Co. gering ist (siehe Punkt 1), erscheint eine Lockerung des Grenzwerts als die naheliegendere Lösung.
Hier muss man unterscheiden: Zur Diskussion steht derzeit eine Lockerung des Anlagegrenzwerts. Dieser liegt deutlich unter dem Belastungsgrenzwert, der die maximal zulässige Exposition angibt. Er jedoch bliebe auch bei einer möglichen Grenzwertlockerung unangetastet.
Der Anlagegrenzwert ist sozusagen das doppelte Netz: Dieser Wert ist wesentlich schärfer, auf Vorsorge ausgerichtet und liegt unter den Werten, die wissenschaftliche Erkenntnisse nahelegen. Er gilt überall dort, wo sich Menschen längere Zeit aufhalten – in Wohnungen, Schulen, Büros, auf Spielplätzen oder in Spitälern beispielsweise. Der Grund: Solange nicht zweifelsfrei Entwarnung gegeben werden kann, dass elektromagnetische Strahlung unbedenklich ist, sollen die Anlagegrenzwerte die Bevölkerung mit einer vorsorglichen Emissionsbegrenzung zusätzlich schützen.