Spätestens seit dem Zeitalter der Industrialisierung hat die Maschine an der Seite des Menschen ihren festen Platz eingenommen. War die Maschine zunächst dem Menschen in ihrer Fertigkeit ähnlich und übernimmt Arbeiten, die bis anhin von Menschen ausgeführt wurde, wird sie ihm mit der Zeit auch äusserlich ähnlich. Damit wird das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine problematisch, weil theoretisch eine Verwechslung möglich wird.
Die Maschine als Doppelgänger des Menschen
Dieses problematische Verhältnis taucht in der Kunst, der Literatur und später im Film immer wieder auf. Im bekanntesten deutschen Schauerroman, «Der Sandmann» von E.T.A. Hoffmann, verliebt sich der Protagonist Nathaniel in den «Automaten» Olimpia und verlässt seine Verlobte. Die Erzählung illustriert, was auch im Film des 20. und 21. Jahrhunderts immer wieder zu sehen sein wird: die Ähnlichkeit zwischen Mensch und Maschine, im Extremfall die Ununterscheidbarkeit, birgt Unheimliches. Die Maschine wird zum Doppelgänger.
Bereits in Fritz Langs «Metropolis» sorgt die täuschend echte Kopie einer Arbeiteranführerin für Verwirrung und Chaos. Die Ununterscheidbarkeit kann durchaus auch komisch sein, wie etwa im Film «The Stepford Wives» (1972), in dem die perfekten Hausfrauen des Städtchens Stepford sich als Roboter entpuppen. Meist aber taucht sie in düsteren Dystopien auf, wie beispielswiese im Thriller «Blade Runner» von Ridley Scott, wo sich im Jahre 2019 so genannte Replikanten unter den Menschen befinden.
Von Pflegerobotern und Sexsklaven
In jüngster Zeit sorgte die schwedische TV-Serie «Real Humans – Echte Menschen» für Aufsehen. Hier heissen die Roboter wegen ihrer ausgeprägten Ähnlichkeit zum Menschen «Hubots», eine Kombination der Wörter «human» und «robot». Sie gehören zum Alltag der Menschen in einem schwedischen Städtchen der nahen Zukunft, pflegen alte Menschen, erledigen den Haushalt, lesen geduldig den Kindern Gutenachtgeschichten vor oder werden als Sexsklaven benutzt.
Interessanterweise lassen sich die Hubots in «Real Humans – Echte Menschen» nun aber sehr wohl äusserlich von den Menschen unterscheiden. Es wurde laut den Machern der Serie enorm viel Zeit investiert, um den Schauspielern und Schauspielerinnen, welche die Hubots verkörpern, zu ihrem staksigen Gang zu verhelfen.
Hubots sind die menschlicheren Geschöpfe
Worin die Hubots dem Menschen hingegen sehr ähnlich sind, ist ihre Gefühlswelt. Damit gibt der Drehbuchautor der Serie, Lars Lundström, der Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Maschine einen neuen Dreh. Das Unheimliche an den Hubots ist nicht mehr, dass man sie äusserlich nicht vom Menschen unterscheiden kann, sondern dass sie sich innerlich dem Menschen annähern.
Waren in «Blade Runner» die Replikanten gerade durch ihre fehlenden Emotionen theoretisch noch von den Menschen unterscheidbar, verhalten sich manche Hubots in «Real Humans – Echte Menschen» menschlicher als ihre Besitzer.
Es stellt sich die Machtfrage
Lundström geht noch einen Schritt weiter. Je mehr Gefühle die Hubots zeigen, desto empfänglicher werden auch die Menschen für diese Gefühle. Ein älterer Mann geht eine tiefe Freundschaft mit seinem Hubot ein, eine Anwältin fühlt sich verantwortlich für die Rechte und das psychische Wohlergehen der Hubots und manch einer verliebt sich gar in einen.
Hier wird es wirklich unheimlich. Wenn die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwinden, stellt sich automatisch die Machtfrage: Dürfen Menschen die Roboter wie rechtlose Sklaven behandeln?
Maschinen mit freiem Willen
Das Gefälle, das ursprünglich zwischen Hubots und Menschen bestand, weil das eine eine Maschine, der andere ein Mensch ist, lässt sich kaum mehr aufrechterhalten. Denn diese Hubots sind so intelligent, dass sie ihre Gleichstellung einfordern können. Von dem ethischen Dilemma, das sich damit für die Menschen ergibt, will die Gruppierung «Echte Menschen», die der Serie ihren Namen gab, nichts wissen. Sie setzt sich dafür ein, dass Hubots abgeschafft werden.
Das Angebot an Figuren in «Real Humans – Echte Menschen» ist aber mit den eben Beschriebenen – auf der einen Seite die Menschen, auf der anderen die Hubots – noch nicht komplett. Eine kleine Gruppe der Hubots ist «frei», das heisst, sie haben keine Besitzer. Sie wurden von David Eischer erfunden.
Der Wissenschaftler hat seine Kreaturen mit einem Programmiercode ausgestattet, der ihnen einen freien Willen gibt. Hinter diesem ist der schwedische Geheimdienst her, heimlicher Kenner des Codes ist niemand anders als Eischers Sohn Leo, der weder Mensch noch Maschine ist, beziehungsweise beides: ein Cyborg.
Braucht es den Menschen noch?
Die freien Hubots sind die Ausformulierung dessen, was die gewöhnlichen Hubots und ihr Zusammenleben mit den Menschen in der Serie bereits andeuten: Der Mensch wird komplett in Frage gestellt.
Braucht es ihn wirklich noch, nachdem er in seinem Streben nach technologischer Höchstleistung sein beinahe perfektes Ebenbild geschaffen hat, das alles kann, was er kann und zudem geduldiger, belastbarer und nicht zuletzt grundehrlich ist? Was unterscheidet einen Menschen noch vom Hubot? Wird es uns einst ähnlich ergehen wie Viktor Frankenstein, dem Helden eines anderen bekannten Schauerromans, dessen Kreatur sich schliesslich gegen ihn wendet?
Damit sind wir beim Kern dieser raffinierten Serie. «Real Humans – Echte Menschen» ist Science-Fiction, doch gleichzeitig ein Gesellschaftsdrama, das spannende und auch äusserst unangenehme Fragen aufwirft.