In Schweizer Spitälern kommt es Schätzungen zufolge jährlich zu 1000 bis 1500 verhinderbaren Todesfällen. Ein grosser Teil davon passiert im Bereich der Chirurgie.
Die meisten Fehler passieren bei Routinebehandlungen, wenn der Chirurg zum Beispiel abgelenkt wird.
Um unnötige Fehler bei Operationen zu minimieren, arbeiten schon heute die meisten chirurgischen Abteilungen in Schweizer Spitälern mit Checklisten. Und Studien bestätigen: Dadurch steigt die Patientensicherheit.
Nun hat eine Gruppe von Wirbelsäulenchirurgen zusammen mit Luftwaffenpiloten einen neuen digitalen Assistenten entwickelt, der deutlich weiter geht als die bisherigen Listen.
Am meisten Fehler bei Routinehandlungen
Die bisherigen Kontrolllisten werden nämlich lediglich vor, und manchmal auch nach der Operation angewendet, nie aber während der Operation selber. Die neue Software soll nun die Chirurgen Schritt für Schritt durch die ganze Operation führen. Auf einem Tablet und auf Bildschirmen wird jeder kleinste Schritt aufgezeigt.
Erst wenn ein Schritt abgeschlossen ist, lanciert der Assistenzarzt den nächsten – per Handwisch, oder wenn es denn funktioniert wie geplant, auch per Stimmbefehl.
Was das Auflisten von Routine-Punkten wie Handschuhwechsel bringt, erklärt Mitentwickler und Wirbelsäulenchirurg Ralph Läubli: «Die meisten Fehler passieren bei Routinehandlungen, wenn der Chirurg zum Beispiel abgelenkt wird.»
Bei Piloten gilt das auch: Etwas so Banales wie das Ausfahren des Fahrwerks ist darum ebenfalls ein zentraler Punkt auf der Liste. Ein sogenannter Checkpoint. Das heisst, der Pilot muss diesen Punkt abhaken, bevor er die Landung einleiten kann.
Neue Kultur im Operationssaal
Die Entwickler der neuen Software streben nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch eine neue Kultur im Operationssaal an. Die Kommunikation zwischen dem Operateur und dem Team soll damit verbessert, die Rolle des Assistenzarztes aufgewertet werden.
Läubli ist auch überzeugt, dass ein Assistenzarzt mit Hilfe der Liste viel schneller als heute auf das selbständige Operieren vorbereitet werden kann.
Bei jungen Ärzten stossen er und seine Mitstreiter auf offene Ohren. Widerstand gäbe es vor allem bei älteren Kollegen, die «sowieso nie Fehler machen», moniert sich Läubli.
Trotzdem findet die neue Kontrollliste langsam ihren Weg in die Schweizer Operationssäle: In den Wirbelsäulenchirurg-Abteilungen des Inselspitals Bern, des Unispitals Basel und des Kantonsspitals St. Gallen und am Spital Interlaken soll die neue Checkliste im nächsten Jahr eingeführt werden. Später sollen dann neben orthopädischen Abteilungen auch weitere chirurgische Disziplinen als mögliche Nutzer der neuen Software in Frage kommen.