Was lange ins Reich der Science Fiction gehörte, wird immer mehr zu unserer Lebenswelt: die Verschmelzung von Mensch und Maschine, von Leib und Prothese.
Mehr Selbstbewusstsein
Der Sozialpsychologe Bertolt Meyer verkörpert als Träger einer High-Tech-Unterarmprothese diese Entwicklung. Er ist 1977 ohne linken Unterarm zur Welt gekommen. Aufgrund einer seltenen Fehlbildung, einer sogenannten Dysmelie, trägt Meyer seit dem dritten Lebensmonat eine Prothese.
Früher versuchte er seine Behinderung und seinen künstlichen Arm mit möglichst echt aussehenden Prothesen zu kaschieren. Heute trägt er eine elektronische Prothese mit durchsichtigem Überzug.
Neugier anstatt Mitleid
Meyer steht zu seinem künstlichen Unterarm. Dadurch veränderte sich die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Andere Personen reagieren nicht mehr mit Mitleid, sondern mit Interesse und Neugier.
Er gewann mehr Selbstvertrauen. Und mehr Flexibilität im Alltag: Schuhe binden, Autofahren, Kochen – das alles ist machbar mit der neuen Prothese.
Meyers Prothese kann sogar etwas, das unsere natürlichen Handgelenke nicht können: sich um 360 Grad drehen. Dieser «Partytrick», wie Meyer ihn nennt, ist ganz schön beeindruckend.
Gesellschaftliche Norm
Die Tatsache, dass Prothesen in bestimmten Hinsichten besser sind als ihre natürlichen Vorbilder, wirft aber auch Fragen auf: Wird es in Zukunft vermehrt Prothesen geben, die schneller, stärker oder «cooler» sind als unsere angeborenen, natürlichen Körperteile?
Was passiert, wenn nicht nur einzelne Menschen, sondern eine Mehrheit solche künstlichen «Body-Upgrades» tragen?
Die Norm könne sich verschieben und so entstehe ein gesellschaftlicher Optimierungsdruck – ähnlich wie durch Schönheitsoperationen, meint Meyer. Man bräuchte dann eine künstliche Verbesserung, um «normal» sein zu können.
Körperliche Manipulation durch Hacker
Ein ganz anderes Risiko besteht nach Meyer darin, dass wir für Hackerangriffe anfällig werden, sobald wir uns smarte Technologien implantieren lassen.
Das gilt auch bereits für Meyers künstliche Hand, die er über sein Smartphone steuern kann. Das Smartphone aber kann gehackt werden. Zum Glück kann Meyer seine Prothese jederzeit ausschalten. Dank seiner rechten Hand.
Meyer fordert dennoch eine Debatte über Sicherheit und Datenschutz. Diese werde umso wichtiger, je mehr Technik unter die Haut geht.