Wie können Tänzerinnen und Tänzer gesünder trainieren? ETH-Forscher glauben, dass ein neues, tragbares System dabei helfen kann. Es zeichnet die Kräfte und Bewegungen beim Tanzen auf und stellt sie dann in einer App dar. So sollen Fehler besser sichtbar werden, sagt der Entwickler Tobias Grosshauser.
SRF: Herr Grosshauser, Sie haben ein neues System für Bewegungserfassung entwickelt. Was bringt das den Tänzerinnen und Tänzern?
Tobias Grosshauser: Zum einen dient es der Gesundheitsvorsorge. Gerade im Tanz ist die richtige Bewegung und Druckverteilung – zum Beispiel die richtige Landung nach Sprüngen – extrem wichtig. Wer da nicht aufpasst, riskiert körperliche Schäden.
Ausserdem ist es natürlich ein Vorteil, wenn man als Tänzerin eine Bewegung gleich von Anfang an korrekt lernt. Das ist effizienter. Einen falsch gespeicherten Bewegungsablauf wieder auszumerzen, dauert unglaublich lange.
Was war Ihre Motivation, diese Aufgabe als Elektrotechniker anzugehen?
Wir wollten eine Lösung, die leicht und einfach zu handhaben ist. Sie soll allen, die tanzen, zugänglich sein: Profis und Amateuren gleichermassen. Bisher gab es zwar schon Systeme zur Bewegungserfassung, vor allem für Animationsfilme. Aber die sind alle teuer und aufwendig zu bedienen.
Das System soll allen, die tanzen, zugänglich sein – Profis und Amateuren gleichermassen.
Ausserdem müssen die Tänzer dafür in einen speziellen Raum gehen, wo das ganze Equipment installiert ist. Unser System hingegen ist tragbar. Man kann es also überall hin mitnehmen, auch nach draussen und nach Hause.
Wie funktioniert dieses tragbare System?
Der Clou sind leichte Sensoren, die der Tänzer an verschiedenen Stellen des Körpers befestigt. Während des Tanzens schicken diese Sensoren die Bewegungs- und Druckdaten direkt per Funk an ein Smartphone oder ein Tablet. Zusätzlich speichern sie die Daten, als Backup.
Wenn man dann unsere App öffnet, sieht man dort einen Avatar, der die Bewegungen vollführt – oder eine graphische Darstellung der Druckmessung.
Die aufgezeichneten Daten stehen in Echtzeit zur Verfügung?
Ja. So können beispielsweise Lehrer beim Training direkt den Avatar beobachten. Die getanzte Bewegung lassen sich aber danach immer wieder abspielen. Man kann reinzoomen, den Avatar drehen, sich Details von allen Seiten anschauen.
Lehrer können beim Training direkt den Avatar beobachten.
Es war besonders schwer, da eine intuitive, benutzerfreundliche Bedienung hinzubekommen. Aber ich glaube, nun ist es uns geglückt.
Sie haben Ihr System bereits mit verschiedenen Tänzerinnen und Tänzer getestet. Brauchen sie so eine technische Hilfe überhaupt?
Wenn man den Künstlern die Systeme zum Ausprobieren gibt, ist die Akzeptanzquote mittlerweile sehr hoch. Es gibt natürlich Tänzerinnen, die schon sehr weit fortgeschritten sind und im Zusammenspiel mit ihren Lehrpersonen auch ohne Technik optimal trainieren.
Dann gibt es andere – vor allem Jüngere – für die ist unser System sehr hilfreich, wenn sie etwa Grundbewegungen einüben müssen. In der App sieht der Schüler, ob die Bewegung korrekt ausgeführt wurde oder nicht. Oder die App zeigt ihm eine Choreografie, die er lernen muss.
Stossen Sie nicht auf Ablehnung, weil Tänzerinnen und Tänzer es nicht mögen, auf diese Weise quantifiziert zu werden?
Zum Teil gibt es schon Berührungsängste. Aber wir messen ja die Bewegung nicht um des Quantifizierens willen. Unser System sagt auch nicht, ob eine Bewegung schön war oder nicht.
Unser System sagt nicht, ob eine Bewegung schön war oder nicht.
Aber das ganze Glücksgefühl und die ganze Ästhetik beim Tanzen ist nun mal zu einem grossen Prozentsatz hartes Training. Je effizienter man trainiert, desto schöner die Performance und desto glücklicher der Tänzer.
Was habe ich davon, wenn ich selbst nicht tanze?
Wir haben da ein paar Ideen. Zum Beispiel könnte man sich mit unserer App berühmte Tänzer nach Hause holen. Dann würde deren Avatar – zumindest auf dem Tablet – bei uns daheim virtuell durchs Wohnzimmer tanzen. Es könnte auch eine gute Möglichkeite sein für Tanzgruppen, den Tanz in digitaler Form schon im Foyer eines Theaterhauses beginnen zu lassen. Jeder Besucher der Vorstellung könnte sich die App aufs Handy laden und dann darauf schon einen Teil der Performance betrachten – mit Avataren.
Das Gespräch führte Hanna Wick.