Der Grundstein für das Forschungszentrum Cern in Genf war ein gewöhnlicher Backstein. Doch das meiste, was in den letzten 60 Jahren dort gebaut wurde, ist Hightech: Zum Beispiel der riesige Teilchenbeschleuniger LHC, bei dem mit Helium gekühlte Hochleistungsmagneten Elementarteilchen in Kreis fliegen lassen. Oder die Detektoren der Experimente, in deren Bauch die Teilchen mit Wucht aufeinander prallen und eine ganze Lawine neuer Partikel lostreten.
Eine zündende Idee
Da braucht es also viel Hochtechnologie, und entsprechend anspruchsvoll sind die Baumeister am Cern. Sie haben klare Vorstellungen davon, welches Material sie für ihre Experimente brauchen. Für gewisse Komponenten ist es extra harter Stahl, dann wieder muss es Titan oder Niob sein.
Manchmal steht aber auch eine ganze Menge hochwertigen Messings auf der Wunschliste. So war es beim «Compact Muon Solenoid», kurz CMS, einem der Experimente, mit denen vor kurzem das ominöse Higgs-Teilchen entdeckt worden ist. Das Experiment brauchte für den Detektor 600 Tonnen Messing. Doch wo sollte man die herkriegen?
Über dieser Frage brüteten die Ingenieure, als einem von ihnen plötzlich die Lösung einfiel: alte Munitionshülsen der russischen Marine. Diese Hülsen waren aus dem richtigen Messing gemacht. Die russische Marine hatte Massen davon, die sie eigentlich nicht mehr brauchte.
Messing statt Geld
Schnell wurden die Ingenieure vom Cern mit der russischen Marine handelseinig. Russland konnte so auf elegante Weise einen Teil seines Beitrags an das Experiment bezahlen. Altes Messing statt harte Währung, das war kein schlechtes Geschäft.
60 Jahre Cern
Fleissig sammelte die Marine die wertvollen Munitions-Hülsen ein. Viele davon mussten im Militärhafen Murmansk erst von Kriegsschiffen abgeladen werden. Insgesamt kamen mehr als eine Million Hülsen zusammen. Sie waren zwar alt, aber fürs Cern viel wert.
Man befreite die Hülsen erst von den Sprengstoffen, dann wurden sie eingeschmolzen, zu Platten geformt und verbaut. Heute erfüllt das Messing am Cern seinen Zweck – als ehemaliges Kriegsmaterial im Dienst der zivilen Forschung.