Schweizer Gewässer sind nicht so klar, wie sie aussehen: Sie enthalten oft mehr giftige Schadstoffe, als es die Grenzwerte erlauben; das zeigen Untersuchungen des Eidgenössischen Wasserforschungsinstituts Eawag. Allerdings bleibt es schwierig festzustellen, wo zum Beispiel ein Pestizid ins Wasser fliesst oder wo die grössten Quecksilber-Rückstände zu finden sind.
Schwimmender Umweltdetektiv
Das wollen Forscher aus Lausanne ändern. Im Rahmen der schweizerischen Forschungsinitiative «Nano-Tera» (siehe Infobox) haben sie «Envirobot» entwickelt, einen schwimmenden Umweltroboter. Der soll künftig Seen und Hafengebiete genauer kontrollieren, als es heute möglich ist. Der Roboter hat die Form einer Schlange und bewegt sich entsprechend – in einem sanften Zickzack, mit wenig Wasserwiderstand, gleitet er dahin.
Schwimmen kann der Schlangenroboter schon gut, «etwa fünf Kilometer am Stück mit einer Batterieladung», sagt Auke Ijspeert von der ETH Lausanne. Doch das neuste Modell, das kürzlich an der Nano-Tera-Jahrestagung in Bern zu sehen war, soll nun erstmals schwimmend auch die Wasserqualität messen. Die Forscher haben in die sieben Module dieser 1,5 Meter langen Schlange richtige Minilabors eingebaut – mit unterschiedlichsten Messsensoren.
Wasserflöhe, Fischzellen und Bakterien an Bord
Auch so genannte Biosensoren gehören dazu: lebende Organismen, die auf Schadstoffe im Wasser reagieren. Wie das geschieht, schildert Projektleiter Jan van der Meer von der Universität Lausanne am Beispiel von Fischzellen, die der Roboter in kleinen Gefässen an Bord hat.
«Im sauberen Wasser kleben diese Zellen jeweils fest aneinander, doch wenn Schadstoffe dazu kommen, verlieren sie ihren Zusammenhalt», sagt van der Meer, «um diese Reaktion zu erfassen, haben wir eine elektrische Spannung über die Fischzellenschicht gelegt. Diese Spannung wird unterbrochen, wenn die Zellen auseinander fallen. Das kann der Roboter messen.»
Arsen? Quecksilber? Öl?
Fischzellen können die allgemeine Schadstoffbelastung im Wasser anzeigen. Doch andere Biosensoren messen auch ganz spezifische Verschmutzungen. Die Forscher haben nämlich gewisse Bakterien genetisch so verändert, dass sie zum Beispiel nur auf Quecksilber reagieren oder nur auf Ölsubstanzen oder Arsen.
Bisher hätten diese Biosensoren recht gut funktioniert, sagt Jan van der Meer, meist aber auch recht langsam – mit Reaktionszeiten von ein paar Minuten bis zu mehreren Stunden. Nun werden aber noch weitere Zellen getestet, mit eingebauten Geruchssensoren von Fliegen. Die reagieren blitzschnell auf Schadstoffe, innert Millisekunden.
Immer der Nase nach
Mit so schnellen Reaktionen könnte der Schlangenroboter nicht nur, wie jetzt, auf vorprogrammierten Pfaden schwimmen, sondern selbstgesteuert – also quasi der Nase nach: immer dorthin, wo die Schadstoffbelastung am grössten ist. Er könnte dann, so van der Meer, zum Beispiel im Wallis, wo manche Gewässer grosse Quecksilber-Rückstände enthalten, gezielt die am stärksten belasteten Stellen aufspüren.
Bedarf nach mobilen Messverfahren
Der mobile Umweltdetektiv wäre für Gewässerkontrollen willkommen, sagt Christian Leu, Spezialist für Wasserqualität vom Bundesamt für Umwelt (Bafu). Denn heute ist es nicht möglich, grössere Gewässerabschnitte in der Schweiz am Stück auf Verschmutzungen hin zu untersuchen. Zudem bestehe allgemein «ein Bedarf für biologische Verfahren, die direkt im Gewässer anzeigen, ob eine Verunreinigung, zum Beispiel durch Pflanzenschutzmittel, die Wasserlebewesen schädigt».
Der Schlangenroboter könnte also die heutigen Analysen der Wasserqualität in der Schweiz sinnvoll ergänzen. Doch bis es soweit ist, muss er noch ein paar Hürden überwinden. So müssen sich die Biosensoren in der Praxis noch bewähren. Und die verschiedenen Sensoren müssen mit der Steuerung des Roboters kommunizieren können, was alles andere als einfach ist.
Schneller als ein Mensch
Bis in zwei, drei Jahren wollen die Forscher soweit sein. Dann also wird sich zeigen, ob «Envirobot» auch so gut misst wie er schwimmt. Von seinen Schwimmkünsten kann man sich schon heute überzeugen – in einem Demonstrationsvideo aus dem Hallenbad: Dort gleitet die künstliche Schlange richtiggehend unheimlich durchs Wasser und am Ende überholt sie den geübten Schwimmer neben ihr locker.