In unserem Nachbarstaat brodelt es schon lange. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung hat im März des letzten Jahres neue Erkenntnisse bezüglich Wildfleisch veröffentlicht: Die Kontamination von Wildfleisch durch Bleimunition sei bedenklicher als bisher angenommen. Das führte zu verschärften Warnungen. Vor allem für Vielverzehrer und Risikogruppen wie Kleinkinder und schwangere Frauen könnten die Folgen besonders schwerwiegend sein.
In Bundesländern wie Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wurden bereits Gesetze eingeführt, die den Einsatz von Munition aus Blei verbieten. In weiteren Bundesländern steht das ebenfalls zur Diskussion. Dabei ist ein regelrechter Glaubenskrieg zwischen Jägern, Naturschützern und Behörden entbrannt.
Die Debatte kommt auch in die Schweiz
Hierzulande blieben die Wogen bisher relativ ruhig. Doch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) verfolgt die Diskussionen im Nachbarstaat aufmerksam. Die Erkenntnisse des deutschen Instituts haben das BLV bewogen neue Untersuchungen zur Risikobewertung für Wildfleisch anzustossen.
Bei Wildfleisch gibt es im Moment keine Grenzwerte für Blei, ganz im Gegenteil zu normalem Fleisch. «Einen Grenzwert einzuführen, wäre eine Massnahmen, die wir uns überlegen, denn so würde wohl weniger belastetes Fleisch auf den Markt kommen», erklärt der Lebensmittelingenieur Michael Beer vom BLV gegenüber «Einstein».
Einen Grenzwert hat aber nicht Priorität
Derzeit intervenieren die Kantonschemiker bei ihren Kontrollen in den Restaurants ab einer Menge von zwei Milligramm pro Kilo Fleisch. Doch das ist eine interne Absprache unter den Kantonen und nicht national geregelt. Beer meint: «Einen Grenzwert einzuführen gäbe einen gewissen Druck». Die Kantone hätten für ihre Interventionen den Rückhalt vom Bund.
Doch für das BLV gäbe es eine viel bessere Lösung als Regulierungen. «Am einfachsten ist es, wenn wir das Gift gar nicht in die Nahrung bringen. Das heisst der Einsatz von bleifreier Munition wäre sehr erstrebenswert.» Auf der Wasservogeljagd wurde bereits ein solches Gesetz auf nationaler Ebene eingeführt. Doch auf der konventionellen Jagd wird grösstenteils noch mit Blei geschossen.
Bei den Jägern braucht es noch Zeit
Reinhard Schnidrig, der Leiter der Sektion Wildtiere und Waldbiodiversität vom Bafu, ist grundsätzlich offen für neue Stossrichtungen. Ein überstürzter Wechsel sei aber fehl am Platz, eine neue Verordnungsbestimmung müsste wohl überlegt sein, meint Schnidrig: «Wir wissen heute noch zu wenig über die Auswirkungen von bleifreier Munition». Fragezeichen gebe es bei der aus Tierschutzgründen geforderten sofortigen Tötungswirkung und bei der Sicherheit der Jäger, die durch abprallende Geschosse gefährdet werden könnten.
Die Diskussionen rund um das Thema «bleifreie Munition» werden nicht immer sachlich geführt, führt Schnidrig weiter aus. Er fordert Studien und Untersuchungen, die von unabhängigen Gutachtern erstellt werden. Zurzeit laufen im Kanton St.Gallen und im Kanton Freiburg bereits Projekte, bei denen Wildhüter die neue bleifreie Munition testen. Schnidrig meint: «Wir brauchen jetzt solche Erfahrungen aus der Praxis, die einer kritischen Überprüfung standhalten. Gerade im Bereich der Tötungswirkung der neuen Munition brauchen wir verlässliche Resultate».
Die Zukunft der Jagd ist bleifrei
Dass Blei giftig ist und ein Risiko für die Gesundheit darstellt, ist sich Schnidrig bewusst: «Wenn man aus guten, nachvollziehbaren Gründen darauf verzichten kann, ist es zu ersetzen.» Die Jägerschaft ist jedoch nicht ganz einfach umzustimmen, da sie meist sehr traditionell positioniert ist. Fragt man Reinhardt Schnidrig nach der Zukunft meint er aber: «Früher oder später wird der Weg an der bleifreien Munition wohl nicht vorbei führen.»
Für den Konsumenten verändert sich vorerst gar nichts. Wer normal seine zwei bis vier Portionen Wildfleisch pro Jahr vertilgt geht kein Risiko ein. «Für den Durchschnittsschweizer, der normal Wildfleisch isst, besteht keine Gefahr», bestätigt Michael Beer vom BLV – mit Ausnahme der genannten Risikogruppen. Auch für die Wildfleisch-Produzenten gibt es noch keine Änderungen. Wie hoch ein allfälliger Grenzwert ausfallen würde und ob er eingeführt wird, ist noch nicht bekannt. Doch die Debatte ist auch in der Schweiz lanciert.