Von einem unscheinbaren Büro in Yverdon aus wird die Schweizer Firma Bolex am Leben gehalten. Inhaber Marc Ueter und Techniker Otello Diotallevi sind die einzigen, die die ehemals weltberühmten Bolex-Kameras noch bauen können. Bis heute liefern sie ihre Kameras von der kleinen Werkstatt aus in die ganze Welt. «Wir haben überall Kunden, in Chile, Italien, Japan, England und Australien», erklärt Marc Ueter. Und auch für die Nachfrage der nächsten Jahre ist gesorgt: Im riesigen Ersatzteile-Lager gibt es genug Material, um noch viele Bolex-Kameras herzustellen. «Ungefähr 60'000 Teilchen lagern hier – und wenn uns einmal eine Schraube fehlt, stellen wir sie nach unseren Plänen einfach selber her», erzählt Ueter.
Jährlich werden so aus den alten Teilen immer noch 20 neue Bolex-Kameras zusammengeschraubt. Das ist zwar kein Vergleich mit der Firma, die in den 60er-Jahren über 8000 Angestellte zählte und tausende Kameras auslieferte. Heute kaufen vor allem Nostaligiker und Filmliebhaber eine neue Bolex-Kamera – aber nicht nur. «Zu unseren besten Kunden gehören auch die Universitäten: Die wollen, dass ihre Schüler lernen, mit richtigem Filmmaterial zu drehen. Und natürlich gibt es viele Leute, die ihre alten Kameras reparieren lassen», sagt Ueter. Vor einiger Zeit sei ein Mann zu ihm gekommen, dessen Kamera seit dem Kauf 1944 das erste Mal kaputt gegangen war.
Vom Weltunternehmen zur kleinen Werkstatt
1930 beginnt die Firma Bolex-Paillard in Yverdon mit der Herstellung der Bolex-Kameras und trifft damit den Nerv der Zeit: Die handlichen, robusten und erschwinglichen Kameras werden zu einem Welterfolg. Nachdem zu Beginn vor allem Amateurfilmer zur Bolex greifen, entdecken nach und nach auch Filmemacher die Vorzüge der Kamera. 1959 dreht der französische Regisseur Haroun Tazieff seinen Dokumentarfilm «Les Rendez-vous du diable» mit einer Bolex – er berichtet darin aus dem Inneren eines Vulkans. Sogar Steven Spielberg und der deutsche Filmemacher Wim Wenders sammeln ihre ersten Dreherfahrungen mit einer Schweizer Bolex.
In den 1950er- und 60er-Jahren wächst und wächst die Firma Paillard-Bolex: Sie beschäftigt fast 6000 Angestellte in der Schweiz, dazu kommen 2000 weitere im Ausland. Im Laufe der Jahre werden über 300 verschiedene Modelle der Kamera entwickelt. Doch Ende der 60er-Jahre beginnt der Abstieg der Firma – sie kann mit der technologischen Entwicklung der Kameras jener Jahre nicht mithalten und muss Konkurs anmelden.
Auch heute noch: Kamera-Qualität aus der Schweiz
1983 kauft Peter Ueter, der Vater des jetzigen Besitzers, die Bolex-Lager und kann die Produktion der Kameras in kleinem Rahmen weiterführen. 2001 übernimmt sein Sohn Marc die Firma.
Ihre Qualität ist nicht nur unter Nostalgikern auch heute noch bekannt, erzählt Marc Ueter. «Einmal schrieb mir ein junger Journalist, die Bolex-Kamera sei die einzige gewesen, die Dreharbeiten bei minus 70 Grad schadlos überstanden hatte. Diese Qualität zieht die Leute in unserer schnelllebigen Gesellschaft an: da ist eine einfache, mechanische Kamera, die ohne Elektrizität unter den widrigsten Umständen funktioniert.» Journalisten in Kriegsgebieten nutzen sie nicht nur wegen ihrer Robustheit, sondern auch aus Sicherheitsgründen: Bei einer Konfiszierung der Kamera ist der Film verloren, sobald man das Gehäuse öffnet und Licht auf den Film trifft.
Arbeit einer längst vergangenen Zeit
Während Marc Ueter die administrativen Aufgaben der Firmenleitung übernimmt, erledigt der Techniker Otello Diotallevi alle eingehenden Aufträge in präziser Handarbeit. Eigentlich ist er seit einem Jahr pensioniert. «Aber wer würde denn meine Arbeit übernehmen? Ich bin der einzige, der alle 300 Modelle der Kamera kennt», erzählt er.
Bolex 16mm Filme auf YouTube und Vimeo
Fast sein ganzes Leben arbeitet er schon mit den Bolex-Kameras. «Der Zufall hat mich nach Yverdon geführt. Ich habe Verwandte besucht und mich nur kurz bei den Paillard-Werken vorgestellt», erinnert sich der Techniker und lacht. Er wurde als Lehrling eingestellt und lernte nach und nach alle Kamera-Modelle kennen. Das ist jetzt 45 Jahre her. Wenn er die Schubladen mit den vielen Schrauben aufzieht und den Mechanismus der Kamera erklärt, leuchten seine Augen auch heute noch: «Ich war schon immer von der Mechanik fasziniert. In der Arbeit bei Bolex habe ich etwas gefunden, was mir wirklich Spass machte.»
Wenn Diotallevi eines Tages wirklich nicht mehr arbeiten kann oder will, dann muss Monsieur Ueter einen Techniker mit viel Passion finden. Denn all die Kameras kennen zu lernen, würde Jahre dauern. «Ich wünsche ich mir natürlich, dass jemand nach mir weiter macht, aber man muss auch realistisch sein. Unsere Arbeit gehört zu einer längst vergangenen Zeit.» Heutzutage drehe sich in der Filmwelt ja alles um die digitalen Aufnahmetechniken. Das sieht auch Inhaber Marc Ueter so: «Die Reparaturen und ab und zu die neuen Kameras, die wir bauen – das ist unsere Gegenwart, nicht unsere Zukunft.»
Digitale Zukunft aus den USA
Jahrelang fragten immer wieder Firmen an, die Interesse an einem Kauf des Namens «Bolex» hatten. Aber kein Angebot überzeugte Marc Ueter. Bis im vorletzten Jahr eine Projektidee aus Amerika auf seinem Schreibtisch landete. Joe Rubinstein, ein passionierten Filmer, wollte den Namen Bolex in die Welt der digitalen Kameras holen. Seine digitale Bolex sollte sich in die Tradition der Schweizer Kameras einfügen: klein, robust und erschwinglich sollte sie sein. «Wir haben Joes Angebot von mehreren befreundeten Technikern und Kameraleuten prüfen lassen und bekamen ein durchweg positives Feedback. Und da dachten wir uns: Warum denn eigentlich nicht?»
Also produziert Joe Rubinstein heute eine digitale Variante der alten Bolex-Kamera. Sie sieht wie eine Kamera aus den 60er-Jahren aus und alle Objektive der alten Kameras passen auch auf die digitale Version. Die «digital Bolex» wird seit einem Jahr in den USA verkauft. Auch Marc Ueter empfiehlt sie gerne an seine Kunden weiter. Er ist sich sicher: «Für uns war das ein Glücksfall. Damit hat die Marke Bolex wieder eine Zukunft.»