«Einstein»: Herr Sokol, wie entstand das GeORG-Projekt?
Günter Sokol: Die Oberfläche in urbanen Räumen wird immer knapper, weshalb zum Beispiel Verkehrslinien und Gebäude vermehrt in den Untergrund gelegt werden. Aber es geht auch um die aktuelle Diskussion um erneuerbare Energien wie Geothermie oder CO2-Speicherung. Für all das wird es immer wichtiger, den geologischen Aufbau des Untergrundes zu kennen, um die Potenziale auszuloten und möglichen Gefahren vorzubeugen. Daher haben sich die Staatlichen Geologischen Dienste am Oberrhein zusammengetan, um länderübergreifende Planungs- und Informationsgrundlagen zu erstellen.
Wie können diese konkret genutzt werden?
Sie beantworten Fragen wie: Können wir in unserer Region Erdwärme für die Energiegewinnung nutzen? Wie sieht die Geologie unter meinen Füßen aus? Ist an der geplanten Stelle noch Platz für einen Tunnel? Die GeORG-Informationen beantworten das ganz konkret und sind für alle im Internet verfügbar.
Was macht den Oberrheingraben speziell interessant?
Die Landschaft am Oberrhein ist dicht besiedelt und der Untergrund des Oberrheingrabens wird schon seit historischen Zeiten genutzt. Im oberflächennahen Untergrund lagern die größten Trinkwasserressourcen Mitteleuropas. Auch die Erdölgewinnung aus dem tieferen Untergrund hat eine lange Tradition. Und seine erhöhten Temperaturen machen ihn besonders geeignet für regenerative Wärmeversorgung und Stromgewinnung. Je tiefer man bohrt, desto heisser wird es: Während in Mitteleuropa die Temperatur im Schnitt drei Grad Celsius pro 100 Meter Tiefe zunimmt, steigt sie im Oberrheingraben um 4,5 Grad pro 100 Meter; in Bereichen von geothermischen Anomalien sogar noch stärker.
Experten aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz arbeiteten für das Projekt zusammen. Was war besonders anspruchsvoll?
Die größten Herausforderungen waren die grossen Datenmengen und die geologisch komplexe Struktur im Oberrheingraben. Vier Jahre haben wir intensiv zusammengearbeitet und eine digitale, grenzüberschreitende Informationsbasis zusammengestellt. Sie enthält mehr als 2000 aufbereiteten und interpretierten Bohrungen, 5400 Kilometer seismische Profile und Daten zu den Eigenschaften des Untergrundes. Weil die geologische Struktur so kompliziert ist, waren Hochleistungsrechner und Spezialprogramme nötig, um alle Daten erfassen und analysieren zu können.
Was waren die Schwerpunkte der verschiedenen Länderprojekte?
Jeder Projektpartner hat Spezialkenntnisse eingebracht. Wir in Baden-Württemberg bringen Erfahrungen im Bereich der rechnergestützten geologischen 3-D-Modellierung mit, während unsere französischen Kollegen Spezialisten für die Aufbereitung von seismischen Daten sind. In Rheinland-Pfalz standen hydrogeologische Aspekte im Vordergrund und die Arbeitsgruppe von Peter Huggenberger der Uni Basel hat sich auf die Nutzung des geologischen 3-D-Modells als Werkzeug für konkrete Fragestellungen im Großraum Basel konzentriert; da geht es zum Beispiel um die Planung der Osttangente.
Wie war die Zusammenarbeit zwischen den Ländergruppen?
Wir konnten viel voneinander lernen. Aber neben der fachlichen Abstimmung haben wir uns auch persönlich kennen und schätzen gelernt und sind mittlerweile nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde. Aber natürlich gibt es gewisse kulturelle Unterschiede. So haben wir bei unseren französischen Kollegen gelernt, dass ein ausgedehntes Mittagessen mit der obligatorischen Weinflasche auf dem Tisch nicht nur die Stimmung hebt, sondern auch fachliche Diskussionen anregt und zur Lösungsfindung beitragen kann. Unsere Schweizer Kollegen legen dagegen viel Wert auf basisdemokratische Entscheidungen. Die kleinen kulturellen Unterschiede waren das Salz in der Suppe.
Welches sind die Haupterkenntnisse dieses Projektes?
Erstmals kann die ganze Komplexität des Untergrundes gezeigt werden. GeORG liefert beispielsweise Karten zum Gesteinsaufbau und zur räumlichen Verbreitung der geologischen Schichten. Erstmals können geologische Profilschnitte für das gesamte Projektgebiet und in jede beliebige Richtung erzeugt werden. Für eine Abschätzung des geothermischen Potenzials gibt das 3-D-Modell Auskunft, wo sich der Bau eines Geothermiekraftwerks lohnen könnte. Und man kann zeigen, inwieweit sich einzelne Gesteinsschichten zur Speicherung von COoder von Energieträgern aus erneuerbaren Energien eignen.
GeORG ist beendet, sind weitere 3-D-Karten geplant?
Die Arbeit hört jetzt natürlich nicht auf. Die zusammengetragene Wissensbasis kann fortlaufend aktualisiert werden, wenn neue Kenntnisse hinzukommen. Doch es gibt auch bereits ein nächstes Projekt: Im Rahmen des Interreg IV B-Projekts GeoMol widmen wir uns den Untergrundpotenzialen im Alpenvorland. Die Zusammenarbeit geht weiter und es kommen neue Partner hinzu. Es bleibtspannend!