Früher war er Zimmermann – heute ist er Fotograf, Kameramann und Abenteurer. Thomas Ulrich hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. «Ich träume nicht nur, ich lebe meine Träume», sagt Ulrich von sich. Er ist Unternehmer in eigener Sache geworden. Er vermarktet seine Abenteuer, unter anderem mit Vorträgen vor Managern oder als Tourenführer für zahlungskräftige Kunden im ewigen Eis von Arktis und Antarktis.
Vom Traum zum Albtraum
Die Träume des Abenteurers Ulrich endeten 2006 jedoch in einem Albtraum. Damals wollte er die 1‘800 Kilometer von Russland über den Nordpol nach Kanada zu Fuss, auf Ski, mit Gleitschirm und wo nötig in einem speziellen, wasserdichten Anzug schwimmend bezwingen. Er scheiterte schon in den ersten Tagen nahe der russischen Küste. Ein unerwarteter Wetterwechsel und ein arktischer Sturm wurden ihm zum Verhängnis: Das dünne Treibeis kam in Bewegung und zerbarst in immer kleinere, schwankende Schollen – auf einer sass Ulrich. Mit seinem Satellitentelefon sandte er den Notruf an seine Freunde im Berner Oberland, die sofort eine Rettungsaktion starteten. Ulrich überlebte nur, weil russische Heli-Piloten ihn trotz schlechten Wetters und bei Nacht mit einer risikoreichen Aktion von seiner kleinen Eis-Insel retteten.
2015 will Ulrich nun einen zweiten Versuch unternehmen. Das Abenteuer ist körperlich und psychisch eine extreme Herausforderung, und die Ausrüstung ist ausgeklügelt bis ins kleinste Detail. Zentrale Elemente sind die beiden Schlitten, auf denen Ulrich sein gesamtes Material und alle Lebensmittel für das dreimonatige Abenteuer mitschleppt. «Der Schlitten muss zu einem guten Freund werden», fasst Ulrich die Bedeutung des Transportmittels zusammen. Auf früheren Expeditionen hat er sich auch schon über seine Schlitten geärgert, weil sie zwischen Eisblöcken hängen blieben und das Fortkommen zu viel Kraft forderte.
Der Schlitten eines «Spinners»
Thomas Ulrich hat deshalb zusammen mit Ingenieuren der Fachhochschule Biel einen arktistauglichen Schlitten von Grund auf neu entwickelt. Es ging dabei um das richtige Material, das optimale Volumen und die ideale Form. Die neuen Schlitten sehen jetzt aus wie langgestreckte Nussschalen, so kippen sie beim Überqueren von Eisblöcken aus Schieflagen selbständig wieder in ihre Ausgangslage zurück. Beim Material entschied sich Ulrich für die aufwändige Produktion aus Polyäthylen. Dieser Kunststoff hat auch bei Temperaturen von minus 40 Grad besonders gute Gleiteigenschaften auf Schnee und Eis.
Nach jahrelanger Entwicklungsarbeit sind die ersten Schlitten jetzt produziert. Sie wurden in einem Familien-Unternehmen in Bayern «geblasen», das sonst Kajaks aus Polyäthylen produziert. Es ist ein grosser Aufwand, den Thomas Ulrich für sein einsames Abenteuer betreibt. Von den einen wird er dafür bewundert, von andern als Spinner abgetan. Der Berner Oberländer kann mit dieser Kritik umgehen: «Früher versuchte ich, mich zu verteidigen. Heute gebe ich zu, dass ich anders bin als andere Leute und vielleicht ein Spinner. Aber ich denke, dass es Menschen wie mich in der heutigen Welt auch braucht.»