Wenn Sprengmeister Walter Weber Freitagnacht die 1500 Zünder auslöst, dann endet für ihn eine zehnwöchige Vorbereitungszeit. Begonnen hatte sie im vergangenen Dezember. Als erstes besichtigte Weber den «Sprecherhof» und begann seine Analyse. Er studierte Baupläne und durchbohrte zahlreiche Wände, Stützen und Decken des bis auf den Rohbau zurückgebauten Hochhauses. Ziel dieser Untersuchungen: Überprüfen der Statik und der Bauweise des Gebäudes. Dabei stiess er auf einige Überraschungen.
Überraschung bei der Armierung
So entpuppten sich vermeintliche Betonstützen im Untergeschoss als sehr massiv armierte Säulen. Denn im Innern der Betonsäulen sind Stahlträger mit aufgeschweissten Seitenblechen einbetoniert. Der Stahl ist 40 Millimeter dick und auch innen mit Beton gefüllt. Um diese Säulen zu sprengen, benötigt Walter Weber einen speziellen Sprengstoff. Es handelt sich dabei um eine Hohlladung aus Oktogen (HMX) und Kupfer, sogenannte Schneidladungen für Stahl. Dieser Sprengstoff wird laut Walter Weber in der Schweiz kaum gebraucht: Er musste für den Import eine Spezialbewilligung beantragen.
Nach der Analyse des Gebäudes liess der Sprengmeister das Bauwerk auskernen und gezielt schwächen. Dabei wurden tragende Wände und Säulen so weit wie möglich ausgebaut, damit Sprengstoff gespart werden kann. Zum Schluss wurden ab Montag die verschiedenen Sprengstoffe in die hunderte vorgebohrten Löcher platziert.
Drei Sprengstoffe – und viel Dämmung
Beim aufwändigen Abriss des Sprecherhofs kommen drei verschiedene Sprengstoffe zum Einsatz. Zum einen der bereits erwähnte HMX-Sprengstoff, zum andern Sprengschnüre aus Nitropenta und Sprenggelatine. Diese beiden Substanzen dienen vor allem dazu, armierten Beton zu zertrümmern. Insgesamt werden rund 75 Kilogramm Sprengstoff eingesetzt. Er dient nicht im eigentlichen Sinn dazu das Gebäude zu zerstören. Sondern lediglich dazu, an entscheidenden Punkten die Statik des Hochhauses so zu schwächen, dass es in sich zusammenfällt.
Damit bei den Detonationen keine Splitter hunderte Meter weit fliegen, werden die Sprengladungen sorgfältig eingepackt. Dazu verbauen die Angestellten von Webers Firma GU Sprengtechnik 2600 Quadratmeter Vlies, 250 Quadratmeter Drahtgeflecht und 300 Sandsäcke.
Genaues Timing – in Millisekunden
Die eigentliche Sprengung geschieht in drei kurz aufeinander folgenden Schritten, weil das Gebäude aus zwei Elementen besteht, die der Sprengmeister unterschiedlich behandeln muss: dem Skelettbereich und dem Treppenturm, der Weber zu schaffen macht. Der Turm ist sehr massiv gebaut und lässt sich nicht so schwächen, dass er in sich zusammenfällt. Deshalb setzt Weber ein spezielles Sprengverfahren ein: das sogenannte Falten. Dabei werden zwei «Keile» – ähnlich wie beim Holzfällen – in den Treppenturm gesprengt, so dass er sich zusammenfaltet und so zu Boden stürzt.
Wenn Walter Weber um Punkt 2 Uhr die Sprengung auslöst, explodieren zuerst die Sprengladungen in den beiden Untergeschossen und im 6. Stock des Skelettbaus (siehe Grafik). Während Teile des Gebäudes noch zusammenfallen, erfolgt genau 2.0 Sekunden nach dem ersten Knall eine Explosion im 8. Obergeschoss des Treppenturms. Dieser beginnt sich zur Seite zu neigen. Wiederum 0,8 Sekunden später folgt die letzte Explosion – im 2. Obergeschoss des Treppenhauses. Nun neigt sich der untere Teil des Treppenhauses in die entgegengesetzte Richtung und kracht auf den bereits zusammengefallenen Skelettbau.