Man wähnt sich in einem Hallenbad: Das Becken ist knapp 25 Meter lang und fast ebenso breit, das Wasser intensiv blau, in der Luft liegt ein Hauch von Chlor. Aber: «Dieses Becken ist nicht zum Schwimmen gedacht», sagt Jakob Schwendner vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen, «es ist ein europaweit einzigartiger Übungsparcours für Tauchroboter.»
Jetzt findet hier eine Premiere statt: Zwei nagelneue Tiefsee-Roboter werden erstmals zu Wasser gelassen. Es sind sogenannte Crawler – batteriebetriebene Raupenfahrzeuge, die auf dem Meeresgrund fahren und dort auf ihren Ketten selbst unwegsames Gelände bewältigen. «Wir haben bis zur letzen Minute gearbeitet, um die Technik für diesen Probelauf fertig zu kriegen», sagt Olaf Pfannkuche vom Forschungszentrum Geomar in Kiel.
Unter Wasser ein Leichtgewicht
Sein Institut hat einen der Roboter gebaut, die heute ihre Wassertaufe haben: Viator ist eine Kettenraupe, die etwa so gross ist wie ein Kühlschrank. «Eigentlich wiegt er 450 Kilogramm», erläutert Pfannkuche, «doch wegen seiner Auftriebselemente ist er im Wasser nur 50 Kilogramm schwer.»
Viator steckt in einer Art Garage, dem Lander. Der soll später am Meeresgrund als Docking-Station dienen, an der die Raupe ihre Batterien aufladen kann. So kann sie besonders lange unter Wasser bleiben. Jetzt setzt ein Kran den Lander behutsam ins Becken. Immer weiter gleitet Viator ins Wasser, bis er in acht Metern Tiefe aufsetzt. Dann klappt die Rampe des Landers herunter und die mechanische Meeresraupe rollt wie geplant ein paar Meter über den Beckengrund.
Kalte Korallen
Viator übt für seinen künftigen Einsatz, zum Beispiel im Meer vor Norwegen. Die Forscher wollen dort in Tiefen bis zu 6000 Metern unter anderem eine besondere Art von Korallen unter die Lupe nehmen – Kaltwasser-Korallen.
Die Korallen am Great Barrier Reef leiden schon heute unter dem Klimawandel. Doch wie kommen ihre nordatlantischen Cousins damit zurecht, speziell mit der Versauerung des Ozeans durch den steigenden CO2-Gehalt? Das soll Viator mit einem Langzeitexperiment klären – einer Mission, bei der er ein Jahr lang am Meeresboden messen wird. Das Problem: «Ist das System erst mal unten, können wir nicht mehr mit ihm kommunizieren», sagt Projektleiter Sascha Flögel. «Deshalb muss er völlig autonom arbeiten.»
Der Roboter lässt sich dafür mit verschiedensten Sensoren bestücken. Manche messen Strömung, Salzgehalt, Druck und Temperatur. Andere bestimmen Säurewert und Methan- sowie Sauerstoffgehalt.
Lernen vom Mars
Monatelang selbstständig am Meeresboden zu agieren, das ist eine grosse Herausforderung für eine Maschine. «Dazu muss sie erst mal wissen, wo sie sich befindet und wie ihre Umgebung aussieht», erläutert DFKI-Forscher Schwendner. Die üblichen Navigationstechniken wie GPS und Radar funktionieren unter Wasser nicht. Also müssen die Forscher zu anderen Methoden greifen. Um nicht gegen den nächsten Felsen zu fahren, sollen die Roboter per Laser eine 3D-Karte ihrer Umgebung erstellen, um das Hindernis rechtzeitig zu umschiffen.
Lernen können Schwendner und seine Leute dabei von den Erfahrungen aus der Raumfahrt, etwa mit Mars-Rovern. Die nämlich müssen wegen der riesigen Entfernung zur Erde ebenfalls autonom agieren. «Zum Teil können wir die Methoden 1:1 übernehmen» freut sich Schwendner. Das ist das Besondere an der Robex-Mission (siehe Box), für die der Lander entwickelt wurde: Meeresforscher arbeiten gemeinsam mit Raumfahrtexperten an der Verbesserung der Technik.
Roboter schnüffelt Sauerstoff
Inzwischen hat Johannes Lemburg, Forscher am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, einem zweiten Roboter per Schallsignal den Befehl zum Auftauchen erteilt. Gehorsam wirft Tramper, so heisst das Gefährt, einige Gewichte ab, treibt langsam zur Oberfläche und wird per Kran aus dem Becken gehievt.
Später einmal soll Tramper vor allem den Meeresbiologen wertvolle Dienste leisten – für 2016 ist sein erster grösserer Einsatz geplant. «Wir wollen mit Messsensoren den Sauerstoffgehalt im Boden messen», erläutert Lemburg. «Dazu sticht der Roboter mit feinen Kanülen vorsichtig zehn Zentimeter tief in den Boden.» Die Menge an Sauerstoff verrät, wie viele Mikroben sich im Sediment der Tiefsee tummeln. Daraus können die Experten schliessen, wie viel CO2 das Leben am Meeresgrund speichern kann – eine wichtige Information für die Klimaforschung.