- Als Transhumanist glaubt Mike Schaffner fest an die Weiterentwicklung des Menschen – hin zur Maschine.
- Schaffner will mehr als implantierte Chips, mit denen er an der Kasse bezahlen kann. Er will sich als Datennetz, gewissermassen als grosser Algorithmus, durch Raum und Zeit bewegen.
- Sein Ziel: ewiges Leben als Datenwolke. Denn Sterben, sagt Schaffner, ist Verschwendung.
Von einem, der mehr sein will als sein Körper
Wer bei Mike Schaffner zu Besuch ist, hört Wörter wie «Enhancement», «Verstärkung», «Optimierung», «Effizienz».
Schaffner bezeichnet sich als Transhumanisten, als einen Menschen, der sich im Übergang befindet vom «human», also vom biologischen Menschen, hin zum technischen.
Er ist einer, der sich «upgradet», der mehr sein will als sein heutiger Körper. Er sagt, mit der normalen Evolution gehe es nicht weiter voran; deshalb brauche es etwas anderes: Technik.
Sich mit Technik optimieren
Ein superstarker künstlicher Arm, ein Chip hinterm Ohr, das ihm erlaubt, Ultraschalltöne zu hören – Schaffner kann sich vieles vorstellen.
Vor allem aber setzt er auf künstliche Intelligenz, und da ist die Evolution der Technik tatsächlich atemberaubend. Nach dem Mooreschen Gesetz verdoppelt sich die Rechenleistung von Computerchips alle 20 Monate.
Die Menschheit rast unglaublich schnell in Richtung künstlicher Intelligenz oder zumindest: in Richtung sehr intelligenter Technik.
Daran will Mike Schaffner teilhaben.
Nicht als User, nicht als Benutzer dieser Technik, sondern: als Wesen, das mit dieser Technik eins wird, sich mit Technik verschmelzt. Und irgendwann, davon ist er überzeugt, wird man auch den Tod überwinden.
Der Traum vom ewigen Leben
Die Idee, die Schaffner und andere Trans- oder Posthumanisten haben: Dass man sich als Datennetz, gewissermassen als grosser Algorithmus, in dem alle Eigenschaften, Gedanken, alles Wissen gespeichert ist, durch die Zeit und das Netz bewegt – und sich den Körper sucht, den man gerade will. Wer häuslich sein will, wird eine Hauskatze; wer weit weg reisen will, wird ein Raumschiff.
Sind wir erst einmal ein Datennetz oder eine Art Datenwolke, wird der Körper frei wählbar. Und das, was wir im Gehirn gespeichert haben, all unser Wissen – das ist letztlich kopierbar; man kann es uploaden wie eine Musikdatei, davon sind Transhumanisten überzeugt
Ewige Fitness
Mike Schaffner, der Techniker ist von Beruf, der sich vegan ernährt, der in seinem Leben zur Umwelt grosse Sorge trägt – er ist durchaus körperbewusst. Er geht regelmässig ins Fitness, achtet auf seinen Körper. Er schärft seine Sinne mit einem besonderen Sport: mit Messerwerfen. Und als Hobby wirft er Spielkarten so scharf, dass er Früchte entzweischneiden kann.
Er möchte möglichst lange leben. Und nie sterben, denn
Sterben, sagt Schaffner, ist Verschwendung. Das tönt utopisch.
Aber Transhumanisten wie Mike Schaffner sind keine einsamen, seltsamen Spinner: Sie sind eine weltweite Community von Menschen, die sich intensiv, aber auch kritisch mit den Möglichkeiten der Technik auseinandersetzen.
Seriöse Wissenschaft, oder nicht
Es gibt unzählige Blogs, es gibt Konferenzen, an denen die Vorreiter des Transhumanismus – oder auch: des Posthumanismus – auftreten.
Sie alle greifen auf die grossen Erzählungen der Moderne zurück, die da heissen: Der Mensch ist in der Lage, sich selbst neu zu erfinden – indem er künstliche, menschenähnliche Wesen schafft, wie in Fritz Langs «Metropolis» aus dem Jahr 1927, wie in der frühen Cyborg-Literatur der 1950er-Jahre, wie in Science-Fiction-Filmen.
Visionär Ray Kurzweil
Trans- oder Posthumanisten sind eine weltweite Bewegung, die zurückgeht auf die frühen 1980er-Jahre. Sie bildete sich in Kalifornien, an der Universität von Kalifornien, und war stets geprägt von grossen Namen; man kann auch sagen: Gurus.
Einer der ersten nannte sich «FM 2030», ein weiterer war der Nanotechnologe Eric Drexler, und eine grosse Rolle spielte in den achtziger Jahren Max More und seine Frau Natasha Vita-More. Heute wird die Szene geprägt von Ray Kurzweil, Erfinder, Visionär, Autor, Unternehmer, Technologieexperte bei Google. Er hat seit vielen Jahren in der Szene das Sagen.
Ray Kurzweil, der jeden Tag gegen 40 Tabletten zu sich nehmen soll, um gegen das Alter anzukommen – er ist dennoch ein alter Mann geworden; einer allerdings, der an seiner Prognose festhält, dass bis 2029 der Zustand der «Singularität» erreicht sein wird.
Der entscheidende Moment heisst Singularität
Singularität ist jener Zustand, an dem die Computerleistung so gross geworden ist, dass sie die Rechenleistung des menschlichen Gehirns übersteigt, es ist der Moment, an der die künstliche Intelligenz die menschliche überholt – und es ist der Augenblick der Entscheidung, ob man dabei sein will, oder nicht. Die Transhumanisten wollen.
Und ihre Ansätze, ihre Thesen, ihre Konzepte werden nicht nur innerhalb der Community diskutiert, sondern durchaus auch in seriösen wissenschaftlichen Kreisen.
Die Universität Zürich hat vor kurzem einen Transhumanisten ans Ethik Zentrum berufen – Johan Roduit, der als Mitbegründer des post- oder transhumanistischen Thinktanks NeoHumanitas firmiert.
In Deutschland, unterdessen, hat sich eine Transhumane Partei formiert, die explizit auch die politischen Rahmenbedingungen dafür schaffen will, dass eine transhumanistische Zukunft möglich wird.