Es ist ein Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit – eine Art lebendes Fossil. Das Urkilogramm in Paris ist die letzte Masseinheit, die noch «in Echt» aufbewahrt wird.
Wohl behütet in einem Safe liegt der kleine Metallzylinder von knapp vier Zentimetern Durchmesser – und ist bis heute das Mass aller Kilogramme. Doch seine Tage sind gezählt.
Das Gewicht von einem Liter Wasser
Vorbild für das Urkilo war das Gewicht von einem Liter Wasser bei genau 4° Celsius. Das war aber nicht immer einfach zu bestimmen und deshalb hat man sich im Jahr 1889 darauf geeinigt, ein schön poliertes, sauberes Stück Metall als die neue Referenz zu nehmen.
Kopien davon wurden in die ganze Welt hinausgetragen, auch in die Schweiz. Die Schweizer Kopie liegt, ebenfalls gut behütet, im Keller des METAS, dem Eidgenössischen Institut für Metrologie in Wabern bei Bern.
Und in diesem Keller kommen regelmässig die Eichmeister aus den verschiedenen Kantonen, um ihre Gewichtssätze zu vergleichen.
Mit diesen Sätzen überprüfen sie dann, ob die Waage beim Metzger oder beim Obsthändler alles richtig anzeigt. Jede offiziell geeichte Waage in der Schweiz ist damit über Umwege mit dem Urkilogramm in Paris verbunden.
Man kann auch zuviel putzen
Doch läuft mit dem Urkilo nicht mehr alles rund. Messungen haben gezeigt, dass das Urkilo und die weltweit vorhandenen Kopien immer mehr auseinanderdriften. Die Experten vermuten, dass das Pariser Kilogramm über die Jahre ein wenig leichter geworden ist.
Vermutlich hat man es zu oft geputzt. Bei jedem Putzvorgang wird ganz wenig Material abgeschabt, fünfzig Mikrogramm hat das Urkilo über die Jahre so vermutlich eingebüsst.
Das ist tatsächlich nur sehr wenig, nämlich 0.00000005 Kilogramm – doch es ist genug, um die Hüter der Masse und Gewichte unruhig werden zu lassen.
Der Meter als Vorbild
Doch was tun? Wieder einen Liter Wasser als Definition des Kilogramms zu nehmen, wäre ein Rückschritt. Doch gibt es ein Vorbild, wie man die Sache lösen könnte.
Das Längenmass, der Urmeter, war bis im Jahr 1960 ebenfalls physisch in Paris vorhanden. Und auch dieser Meter kämpfte mit Problemen, seine Länge zu behalten.
Universelle Konstante
Da kamen die Physiker auf die Idee, eine universelle Konstante aus der Physik zu Hilfe zu nehmen: die Lichtgeschwindigkeit. Diese war nämlich mittlerweile sehr genau bekannt. Pro Sekunde legt das Licht 299'792'458 Meter zurück.
Damit kann im Prinzip jedes Labor mit Hilfe einer Laserapparatur und einer sehr genauen Zeitmessung selbst einen Meter herstellen. So hatte man sich vor über 30 Jahren vom Urmeter unabhängig gemacht.
Das Kilo fordert die Physiker
Doch das Kilo musste sich gedulden. Eine physikalische Konstante, auf die man das Kilogramm beziehen kann, war nicht leicht zu finden.
Es gab verschiedene Ideen, zum Beispiel den Ansatz mit Atomen: Kennt man die Menge an Atomen in einer Kugel genau, könnte man eine Kugel herstellen, die genau so viele Atome drin hat, dass sie ein Kilogramm wiegt. Doch es ist nicht leicht, so eine Kugel herzustellen.
Konstante gesucht
Eine zweite Idee war die Plancksche Konstante. Doch das schien fast noch komplexer. Zudem musste die Plancksche Konstante, die eine Grösse aus der Quantenphysik ist, erst einmal genau genug bekannt sein.
Seit den 1970er-Jahren versuchten Forscherinnen und Forscher deshalb diese Konstante genau zu bestimmen.
Auch am METAS stieg man ins Rennen um das neue Urkilo ein und baute eine so genannte Watt-Waage.
Ein komplexer Apparat, der mit Hilfe von einem Gewicht und dem exakten Messen der Erdbeschleunigung schliesslich eine genügend genaue Angabe für die Plancksche Konstante lieferte.
Der Durchbruch war da – und damit der Weg frei, das Kilogramm neu zu definieren. In Zukunft soll das Kilogramm über die Plancksche Konstante definiert werden.
Bald gibt es also wohl das unabhängig messbare Urkilo «Made in Switzerland».