Das chinesische Raumfahrtprogramm hat in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte gemacht – auch dank der Zusammenarbeit mit Europa. Die USA zeigen wenig Interesse an einer Zusammenarbeit – auch wenn diese von China gewünscht wäre, wie SRF-Asienkorrespondent Martin Aldrovandi sagt.
SRF: Warum hat China so spät begonnen, in den Weltraum zu fliegen?
Martin Aldrovandi: Weil China früher einfach mit anderen Problemen zu kämpfen hatte. Als Mao Zedong 1949 die Volksrepublik ausrief, war China eine arme Nation. Die Mehrheit der Bevölkerung waren Bauern.
Die Regierung musste erst ihre Macht etablieren. Da stand die Eroberung des Weltraums einfach nicht zuoberst auf der politischen Agenda.
In den letzten Jahren hat China grosse Fortschritte gemacht.
Trotzdem gab es schon damals erste Versuche, auch mit Hilfe der Sowjetunion. Die Sowjetunion war sozusagen der grosse sozialistische Bruder der neuen Volksrepublik. Russische Ingenieure halfen den Chinesen schon in den 1950er-Jahren bei der Entwicklung einer ersten eigenen Rakete.
Diese Zusammenarbeit hielt aber nicht lange an. China und Russland bewegten sich immer weiter auseinander, vor allem nach Stalins Tod. Die einstigen Freunde wurden zu Feinden und die Russen zogen ihre Experten wieder ab.
Erst mit dem wirtschaftlichen Aufstieg in den letzten drei, vier Jahrzehnten hat China wirklich damit begonnen, viel Zeit und Geld in die eigene Weltraumforschung zu investieren. In den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat man wirklich grosse Fortschritte gemacht.
Nicht nur mit Russland, auch mit den USA funktioniert die Zusammenarbeit im Weltraum nicht. Der US-Kongress hat die Zusammenarbeit mit China im Weltraum sogar explizit untersagt. Ist die Skepsis von chinesischer Seite auch so gross?
Nein. Aus chinesischer Sicht sieht man das völlig anders. Man hat für die ablehnende Haltung der USA überhaupt kein Verständnis.
Das sagte mir der chinesische Weltraumexperte Jiao Weixin, Professor an der Fakultät für Weltraumforschung der Universität Peking. Dass China wegen den USA von der Mitarbeit an der internationalen Raumfähre ISS ausgeschlossen wurde, bedaure man sehr.
Satelliten und Raketen können immer auch für militärische Zwecke verwendet werden.
Aber der Ausschluss habe auch dazu beigetragen, dass China sein eigenes Weltraumprogramm weiter und schneller ausbaute. Professor Jiao sagt, man sei weiterhin offen für eine Zusammenarbeit - auch mit den USA. Das Problem liege eindeutig bei Amerika.
Raumfahrt hat immer auch eine militärische Komponente. Wie wichtig ist der militärische Aspekt in China?
Das ist schwierig zu sagen, weil das Raumfahrtprogramm in China einigermassen geheim gehalten wird. Die chinesische Raumfahrt hängt relativ eng mit dem Militär zusammen. Das geht zurück bis an den Anfang in den 1950er-Jahren.
Satelliten und Raketen können immer auch für militärische Zwecke verwendet werden. Vor allem die USA befürchten eine militärische Nutzung. Als China 2007 einen eigenen Satelliten abschoss, wurde das in den USA als Warnung verstanden, wozu China fähig ist – und auch, wozu China bereit wäre.
Gut sieht die Zusammenarbeit von China mit der europäischen Raumfahrtbehörde ESA aus. Wie ernsthaft betreibt China diese Kooperation?
Für China ist die Kooperation mit der europäischen Raumfahrtbehörde sehr wichtig. Sie besteht ja auch schon seit vielen Jahren. Die ESA profitiert davon, weil sie ihre Astronauten in China trainieren lässt. Und China profitiert ebenfalls von der Zusammenarbeit, vor allem vom Wissen der Europäer.
Der Weltraumexperte Jiao Weixin hat mir gesagt, dass die europäische Raumfahrtbehörde mit ihrer Forschung Resultate erzielt habe, die China fehlten. Mit ihren Raumsonden zum Mars, zur Venus und zu Kometen seien die Europäer weltweit ganz vorne mit dabei.
China entwickelt eine neue Raumstation, während Amerika, Europa und Russland noch immer nicht wissen, wie es mit ihrer gemeinsamen Raumstation ISS weitergehen soll. Wenn es die ISS nicht mehr gäbe - wäre China bereit, seine Raumstation auch anderen für Aufenthalte oder Versuche zur Verfügung zu stellen?
Ja. China sagt, man sei an einer Zusammenarbeit interessiert. Und im Gegensatz zu den USA ist man offen, mit allen anderen interessierten Ländern zusammen zu arbeiten.
Professor Jiao sagt, China lade andere Staaten mit ihren Forschungseinrichtungen und Akademikern ein, gemeinsam mit China den Weltraum zu erforschen.
China hat angekündigt, mehr als 50 Jahre nach den Amerikanern selber Menschen auf den Mond zu bringen - geht's dabei vor allem ums Prestige?
Es geht wohl um beides – um das Ansehen, aber auch um neue Erkenntnisse. Das sagte mir zumindest Weltraumexperte Jiao Weixin. Die chinesischen Mond-Expeditionen sollen sich von den US-amerikanischen Apollo-Missionen unterscheiden.
Die genauen Details sind noch nicht bekannt. Die chinesische Regierung hat offiziell noch kein grünes Licht gegeben. Wissenschaftler rechnen damit, dass es irgendwann in den 30er-Jahren dieses Jahrhunderts soweit sein wird.
Schon in diesem Jahr will man hingegen mit der Raumsonde Chang’e 4 einen Rover zum Mond zu schicken, und zwar auf die Rückseite des Mondes. Das hat es bisher noch nicht gegeben.
Was interessiert denn die Chinesen an der Rückseite des Mondes?
Laut Professor Jiao erhofft man sich unter anderem zu erfahren, wie die Mineralien dort zusammengesetzt sind. Es geht aber auch darum, etwas zu machen, was die anderen noch nicht gemacht haben – wo China für einmal der erste sein kann.
Das Gespräch führte Hansjörg Schultz.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 31.1.2018, 9:02 Uhr.