Gäbe es sie nicht, die dunkle Materie, würden die Galaxien im All auseinanderdriften. Auch unser Sonnensystem würde aus der Milchstrasse hinausgeschleudert.
In allen Galaxien muss es eine für uns nicht sichtbare Materie geben, die allein durch ihre Schwere, alles zusammenhält. Das zeigen die Berechnungen mit dem bewährten Gravitationsgesetz. «Es muss irgendetwas sehr Massives sein», sagt Physikprofessorin Ruth Durrer von der Universität Genf, «aber was es genau ist, wissen wir bis heute nicht».
Bäume, Häuser, Sterne – nur ein Klacks
Vier Fünftel aller Materie im Kosmos ist dunkle Materie. Alles, was wir Menschen anfassen oder zumindest sehen können – Bäume, Häuser, entfernte Sterne – all das wäre somit nur ein kleiner Teil der Materie. So zeigen es die Berechnungen.
Aber woraus diese dunkle Materie besteht, bleibt bis heute rätselhaft. Unsichtbare Materie im All wie schwarze Löcher, dunkle Gaswolken oder erkaltete Sonnen bilden zusammen noch immer viel zu wenig Materie, um die dunkle Materie zu erklären. «Es muss noch viel, viel mehr sein», sagt Ruth Durrer.
Teilchen die uns durchfliegen
Es könnten kleine, aber massive Elementarteilchen sein, die man noch nicht kennt. Teilchen die nur ganz schwach oder gar nicht mit anderen Teilchen wechselwirken. Wenn das so wäre, könnte es diese Teilchen auch hier bei uns auf der Erde geben. «Sie könnten zu Tausenden durch uns durchflitzen», sagt Ruth Durrer, «und wir würden nichts merken».
Suche in den Abruzzen
Seit Jahrzehnten versucht man solche neuen Elementarteilchen zu entdecken. Zum Beispiel in einem Untergrundlabor in Italien in den Abruzzen, wo man gezielt Jagd macht auf dunkle Materie. Vor kurzem wurde dort eine ungewöhnliche Häufung von Teilchenkollisionen festgestellt. Diese zeigten sich als kleine Lichtblitze in einem Tank, der zur Detektion solcher Partikel mit dem Gas Xenon gefüllt ist.
Es kann sein, dass dort etwas gefunden wurde – es wäre eine Sensation – kann aber auch sein, dass es nur ein Messfehler war. Weitere Versuche im kommenden Jahr werden das zeigen.
Neue Beobachtungen werfen Fragen auf
Es gibt zunehmend aber auch Forscher, welche die Existenz dunkler Materie grundsätzlich infrage stellen: Oliver Müller zum Beispiel, ein junger Astronom aus Basel, der an der Universität Strassburg arbeitet.
Er hat am Südsternhimmel die Bahnen von Zwerggalaxien studiert, die um grössere Galaxien wie unsere Milchstrasse kreisen. Zwerggalaxien sind sehr stark von dunkler Materie geprägt und wenn man mit Supercomputern ihre Bahnen modelliert, so zeigt sich, dass sie in einem schwarmähnlichen Durcheinander um die grösseren Galaxien kreisen sollten.
Das tun sie aber nicht, wie Müller zeigen konnte. Sie bewegen sich, in gleichen Bahnen und im gleichen Drehsinn. Das widerspricht der Annahme von dunkler Materie. «Wir können noch lange suchen», sagt Müller «aber wenn es die dunkle Materie nicht gibt, werden wir auch nichts finden.»
Die immer genauere Beobachtung des Alls wirft also neue Fragen auf, welche die dunkle Materie infrage stellen. Und trotzdem sagen erfahrene Physikerinnen wie Ruth Durrer: «Wenn wir die bewährten Gleichungen der theoretischen Physik ernst nehmen, dann muss die dunkle Materie da sein – ihr auf die Schliche zu kommen bleibt jedoch extrem schwierig.»