Das James-Webb-Weltraumteleskop gab uns in den letzten Monaten faszinierende Einblicke ins Universum – dank Bildern, die zum Beispiel Alyssa Pagan bearbeitet hat. Als Scientific Visual Developer übersetzt sie die Daten des Infrarotteleskops in Bilderwelten mit Poster-Potenzial. Für sie ein Traumjob.
SRF: Alyssa Pagan, inwiefern ist die Arbeit für das James-Webb-Teleskop etwas Besonderes?
Derzeit arbeite ich vor allem für das Hubble- und das James-Webb-Teleskop. Hubble zeichnet vor allem im Bereich des sichtbaren Lichts auf, James-Webb hingegen im infraroten Bereich. Das macht einen entscheidenden Unterschied für die Bildbearbeitung.
Es ist vergleichbar mit einem Röntgengerät und einem MRI: Beim MRI sieht man das Gewebe, es verschleiert jedoch die Knochen – das ist Hubble. Der Röntgenstrahl hingegen sieht direkt bis zum Knochen durch – das ist James-Webb.
Welche Dinge können Sie dank des James-Webb-Teleskops sehen?
Die Daten von Hubble zeigen zum Beispiel eine Staubwolke. Bei James-Webb ist diese Staubwolke fast schon ein Loch, weil der Infrarot-Detektor durch Staub hindurchschauen kann.
Weil das James-Webb-Teleskop hochauflösend ist und dank der Infrarotkamera sehr tief ins All schauen kann, sieht man in fast jedem Bild eine Galaxie! Das ist Wahnsinn.
Warum Wahnsinn?
Richtet man Hubble auf ein bestimmtes Objekt im All, bekommt man das, was man erwartet. Zudem arbeitet Hubble im sichtbaren Licht und kann entfernte Galaxien wegen der Rotverschiebung nicht sehen. Deshalb wurde das Infrarot-Teleskop James-Webb gebaut.
Ich bin wahrscheinlich die erste Person, die diese Galaxie je gesehen hat!
Was ich aber nicht erwartet hatte, ist, dass man in den Daten von James-Webb Entdeckungen macht, selbst wenn man nicht danach sucht. Ich suche zum Beispiel nach einem planetaren Nebel und bekomme 50 Galaxien im Hintergrund dazu. Bei jedem Bild, das ich bearbeite, denke ich: «Ich bin wahrscheinlich die erste Person, die diese Galaxie je gesehen hat!»
Sie arbeiten mit den Farben rot, gelb und blau – woher wissen Sie, was welche Farbe hat?
Licht wird durch spezielle Wellenlängen eingefangen. Im Prinzip wie beim Smartphone: Die Kamera sammelt Licht mit drei Filtern für verschiedene Wellenlängen: rot, grün, blau. Die verbindet sie zu einem Farbbild. Wir tun dasselbe. Nur gibt es viel mehr Filter. James-Webbs NIRCam- eine Kamera für den nahen Infrarot-Bereich – hat zum Beispiel 27 Filter für 27 Wellenlängen.
Jeder Wellenlänge ordnen wir eine Farbe zu. Die kürzeren, energiereichen Wellenlängen, die blauere, die längeren, weniger energiereichen, die rötere. Die blauen Sterne in einem Galaxie-Bild sind die heissen Regionen. Wir sehen auch Gas, das von den Sternen aufgeheizt wird. Das ist die Magenta-Farbe, oft Wasserstoff.
Das menschliche Auge kann infrarote Wellenlängen nicht sehen. Wie machen Sie die Daten sichtbar?
Nehmen wir Wasserstoff, er reflektiert im sichtbaren Licht bei einer Wellenlänge von 655 Nanometern. Je nach Stärke der Rotverschiebung befindet er sich aber bei James-Webb auf einer anderen Wellenlänge, zum Beispiel bei 800 Nanometern. Ich muss also zurückrechnen. Wir nehmen unser Verständnis von dem, was wir sehen, und wenden es aufs Infrarote an.
Weitere eindrückliche Bilder des James-Webb-Teleskops
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Bild 1 von 4. Die Säulen der Schöpfung:. Wahrscheinlich das ikonischste Bild der Weltraumfotografie. Für Alyssa Pagan eines der Highlights ihrer Karriere: «Es waren so viele Sterne zu sehen, dass wir einige wegnehmen und sie separat behandeln mussten». Die kleinen glutroten Punkte sind junge Sterne – eine Sternen-Kita sozusagen. Bildquelle: NASA, ESA, CSA, STScI;.
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Bild 2 von 4. Deep Field: . Für dieses Bild wurde James-Webb mit langer Belichtungszeit auf einen Himmelsausschnitt gerichtet. Um die Tiefe wiederzugeben, arbeitet Alyssa Pagan mit drei Farben, die jeweils einer Entfernung zugeordnet ist. Bildquelle: NASA, ESA, CSA, STScI.
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Bild 3 von 4. Stephen's Quintet – fünf Galaxien auf einen Blick: . Dies ist eines der wenigen Bilder, auf denen die Aufnahmen beider Kameras kombiniert wurden: NirCam (naher Infrarotbereich) und MIRI (mittlerer Bereich). «NirCam schaut durch den Staub der Galaxien, wir sehen also die Sterne dahinter. Miri bringt die Struktur des Staubs zurück – deshalb die Staub emittierenden roten Areale», so Alyssa Pagan. Bildquelle: NASA, ESA, CSA, STScI.
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Bild 4 von 4. Der Saturn-Mond Titan:. Dieses Bild zeigt, zu was das James-Webb-Teleskop in der Lage ist: «Wir konnten die Atmosphäre von der Oberfläche des Mondes unterscheiden», sagt Alyssa Pagan. Die rote Kugel zeigt die Atmosphäre, die blau-grüne Kugel zeigt gar Strukturen, etwa eines Methansees und von Sanddünen. Bildquelle: SCIENCE: NASA, ESA, CSA, Webb Titan GTO Team.
Wie wahr ist, was wir auf den Bildern sehen?
Ich mache gerne eine Parallele zur Musik, wenn wir ein Lied in verschiedenen Oktaven spielen. Wir können es so hoch spielen, dass nur Hunde es wertschätzen können. Wenn wir es ein paar Oktaven runternehmen, wird es auch für uns geniessbar. Es ist nicht exakt derselbe Song, die Beziehung zwischen den Noten aber bleibt dieselbe.
Das Gespräch führte Corinna Daus.