Ein kleiner Satellit nähert sich langsam und vorsichtig seinem Zielobjekt. Die langen Greifarme öffnen sich wie die Scheren einer Krabbe. In die Fänge gerät ein ausgedienter Raketenadapter, der seit 2013 hier oben, in rund 800 Kilometern Höhe, um die Erde kreist.
Stunden später stürzen beide, Satellit und Weltraumschrott, in die Erdatmosphäre und verglühen. Die Mission ClearSpace-1 ist damit erfolgreich abgeschlossen und der Menschheit ist es nach über 60 Jahren Raumfahrt gelungen – zum ersten Mal überhaupt –, ein Stück Weltraummüll zu entsorgen. Soweit zumindest der Plan: Denn die Mission soll erst im Jahr 2025 starten.
Die besten Ingenieure Europas
Aktuell arbeiten bereits rund 30 Mitarbeitende des Start-Ups ClearSpace.today daran, den Traum von einem aufgeräumten Orbit wahrzumachen. Das Unternehmen wurde 2018 von Ingenieur Luc Piguet als Spin-Off der ETH Lausanne (EPFL) gegründet. Piguet ist überzeugt: «Wir haben ein fantastisches Team: Die besten Ingenieure, die es in Europa gibt!»
Am Projekt beteiligt ist die Europäische Weltraumbehörde (ESA). Sie hat ClearSpace.today gerade erst einen Zuschlag von rund 90 Millionen Franken für ihr Projekt gesprochen. Noch einmal gut 30 Millionen sollen von privaten Investoren dazukommen.
Aufräumen im All ist nicht so einfach
Bis die Mission abgeschlossen und die Champagnerkorken knallen können, wird noch so manches Problem zu lösen sein. Luc Piguet weiss, es reicht nicht, einen Greifarm zu konstruieren, in den Orbit zu fliegen und damit den herumliegenden Müll einzusammeln.
Weltraumschrott saust mit fast 30.000 km/h durch Raum und Zeit: «Die erste Schwierigkeit ist, ein Rendezvous zu machen. Wir müssen das Objekt im Weltraum überhaupt erst einmal finden.»
Das zweite Problem: Weltraumschrott «kooperiert» nicht. Es gebe bei ausgedienten Satelliten oder zerborstenen Schrott-Teilen kein Leitsignal für das Andocken eines Bergungssatelliten, so Piguet.
Jede Annäherung bringe die Gefahr einer Kollision, die für noch mehr Weltraumschrott sorgen würde. Piguet geht darum davon aus, dass viele Tests und Simulationen nötig sein werden, bis die Steuerung und der Greifarm reif für den ersten Einsatz sind.
Das Problem ist damit nicht gelöst
Rund 120 Millionen Franken soll die Mission «ClearSpace-1» kosten – viel Geld für ein einziges, rund 100 Kilo schweres Stück Müll. Und eigentlich ist es gar nicht das, was dringend entsorgt werden müsste: Das grösste Problem im Orbit sind nicht die grossen Schrotteile, sondern Millionen kleiner Trümmer, die nicht zu kontrollieren sind.
Insofern sollte man die ClearSpace-1-Mission als das sehen, was sie letzten Endes ist: ein Testlauf, der zeigt, wie das Entsorgen von Weltraummüll funktionieren kann. Doch das eigentliche Problem ist damit nicht gelöst. Für die grosse Aufräumarbeit der kleinsten Teilchen braucht es die Entwicklung von weiteren Technologien. Denn bleibt das All voller Müll, droht die Raumfahrt schon bald vollständig zum Erliegen zu kommen.