Sternschnuppen sind Steine aus den Tiefen des Alls, die auf die Erde fallen. Aber manchmal gibt es mehr zu sehen und zu finden als eine Leuchtspur am Himmel – dann nämlich, wenn auf dem Boden etwas ankommt von den Steinen aus dem All. Und ganz selten finden Wissenschaftler dabei mehr als sie hofften.
So beginnt die Geschichte an einem Freitag den 13., ein Spätsommernachmittag im September 2019. Im norddeutschen Flensburg geht der Däne Erik Due-Hansen zum Rasenmähen in den Garten. Dort findet er einen merkwürdigen schwarzen Stein von der Grösse eines Golfballs.
Die Feuerkugel aus dem Weltraum
Hansen meldet den Fund dem Feuerkugelnetz des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Dessen Leiter, Dieter Heinlein, bekam den Meteoriten per Post ans bayerische Meteoritenlabor nach Augsburg geschickt.
«Als ich ihn ausgepackt habe, fiel mir auf, dass der Stein von einer hauchdünnen, schwarzen Schmelzkruste ummantelt war», erinnert sich Heinlein. Es habe sich um ein geschmolzenes Stückchen Weltraummaterie gehandelt.
«Dieses Material ist 4.5 Milliarden Jahre alt, hat sich seit seiner Entstehung nicht verändert und kann uns Hinweise darauf geben, wie das Sonnensystem entstanden ist», betont der Astrophysiker.
Sternschnuppe mit Migrationshintergrund
Diese Materie ist, was übrig geblieben ist, als alles andere fertig war: Sonne, Planeten und Monde. Seit der Bildung des Sonnensystems kreisen diese Gesteinsbrocken umher, kreuz und quer, ohne Ziel.
Dabei streifen sie manchmal die Bahn der Erde. Sie treten als Sternschnuppen in die Atmosphäre ein – so wie in diesem Fall der Meteorit namens «Flensburg».
Von Augsburg ging die Reise von «Flensburg» weiter ins westdeutsche Nordrhein-Westfalen. Der Planetologe Addi Bischoff von der Universität Münster war der nächste, der den Meteoriten in die Finger bekam. «‹Flensburg› enthält ausschliesslich Minerale, die irgendetwas mit Wasser zu tun haben», fand Bischoff.
Das tonähnliche Material, aus dem dieser Stein zusammengesetzt ist – eine Art getrockneter Schlamm –, kann sich nur gebildet haben, wenn «Flensburg» einst mit flüssigem Wasser in Berührung gekommen ist. «Das ist das erste Mal, dass ein solcher Meteorit in Deutschland gefunden wurde», freut sich Bischoff.
Schweizer Sternenstaub
«Dieser Meteorit hat eindeutig in der Frühzeit seines Lebens Wasser gesehen», bestätigt auch Henner Busemann, der am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich forscht. Auch er hat sich Staubproben von «Flensburg» näher angesehen.
«Wir glauben, dass der Grossteil dieses Wassers ursprünglich in Form von Eis vorhanden war.» Aber irgendwann werde solch ein Asteroid abgelenkt und näher an die Sonne geführt, glaubt der Physiker.
Dann erwärme er sich und es bilde sich flüssiges Wasser. «Und so dürfte letztlich wohl auch die Erde zu ihrem Wasser gekommen sein – durch Meteoriten wie ‹Flensburg›!»