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Lernstörungen «Eine ‹normale› Schulkarriere trotz Lese-Rechtschreib-Störung?»

Monika Brunsting, Susanne Kempe und Monika Lichtsteiner haben Ihre Fragen im «Puls»-Chat beantwortet.

Fachpersonen im «Puls»-Chat

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Dr. Monika Brunsting
Psychologin/Psychotherapeutin FSP
Sonderpädagogin
Nordostschweizer Institut für Lernfragen NIL

lic. phil. Susanne Kempe Preti
dipl. Logopädin, Dozentin am Institut für Sprache und Kommunikation unter erschwerten Bedingungen
Co-Leiterin Bachelorstudiengang Logopädie
Co-Leiterin CAS Effektive Förderung bei LRS
Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik

lic. phil. Monika Lichtsteiner Müller
Psychologin
Berufs- und Laufbahnberaterin
Verband Dyslexie Schweiz

Förderung gem. Homepage des Dyslexie-Verbands: «Dies bedeutet meist eine mehrjährige, intensive Förderung, da die altersbedingten Anforderungen an die Lese- und Rechtschreibfähigkeit zunehmen und einen wichtigen Indikator für den beruflichen Erfolg darstellen.» Ist das mit integrativer Förderung überhaupt möglich? Fachwissen? Was sind die Voraussetzungen, damit eine sinnvolle Förderung stattfinden kann? Was, wenn trotz Diagnose keine Förderplanung gemacht wird + keine Förderung stattfindet?

Monika Brunsting: Davon gehen wir aus. Allerdings braucht es mehr als nur integrative Förderung. Ohne zeitweise Separation (z.B. als intensive und gezielte Einzelförderung) scheint mir eine wirkliche und langfristige Integration in die Schule, in den Beruf und schlussendlich ins Leben nicht möglich. Aktuelles Fachwissen und genügend zeitliche und personelle Ressourcen sind unabdingbare Voraussetzungen. Wenn die Förderplanung auszubleiben droht oder gar eine Förderung ausbleibt, bleibt heute nichts anderes übrig, als dafür zu kämpfen.

Auf dem Merkblatt des Kt. Luzern: "Alle Lernenden haben ein Anrecht auf einen gut strukturierten, differenzierten Unterricht, der alle Sinne anspricht. Lernende mit einer LRS sind besonders darauf angewiesen." Was können sinnvolle Differenzierungen sein? Was, wenn keine Differenzierung stattfindet?

Monika Lichtsteiner: Sinnvolle Differenzierungen: Mit sinnvoll ist gemeint, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Wer beispielsweise mit den Augen sehr langsam liest ("Augenlesen"), hat in der Regel Probleme, den Text zu verstehen. Das Lernen aus Texten ist dann erschwert. Wird der Text vorgelesen (z.B. durch eine App oder eine Person), dann können Lernende mit LRS den Text in der Regel gut verstehen ("Ohrenlesen"). Lernen aus Texten ist so viel besser möglich. Wenn keine Differenzierung stattfindet, dann kann ein Gespräch mit der Schule helfen.

Gemäss Schätzungen seien ca. 5% der Schüler von LRS betroffen. Trotzdem scheinen das Wissen dazu und der Umgang damit bei vielen Lehrpersonen (auch IF) noch unzureichend. Liegt das an der Komplexität des Themas oder daran, dass es keine Patent-Lösungen gibt?

Monika Brunsting: Wir sehen heute weit mehr als 5% betroffene Schüler. Aktuell geht man von 10% aus und diskutiert über 15% (bei 15% könnte man auch sehr begabte Kinder und Jugendliche fördern. Da gibt es immer wieder krasse Fälle, die durch alle Maschen fallen). Warum das Wissen von Lehrpersonen (inkl. IF) vielerorts so dürftig ist, hat m.E. mehr mit Bildungspolitik als mit der Komplexität des Themas zu tun. Patent-Lösungen gibt es natürlich nicht. Aber es gibt gut erforschte und gute Wege, diese Probleme besser zu bewältigen.

Haben Lehrpersonen und/oder IF-Verantwortliche das Wissen, worauf bei EN/FR besonders zu achten ist? Bzw. ist dieses Wissen zugänglich? Gibt es Unterlagen für Lehrpersonen? (wie z.B. "LRS in der Fremdsprache EN", Voralberg = viele einfache/hilfreiche Tipps, oft auch interessant für nicht Betroffene). Wer kann Schüler/Eltern dazu konkret beraten?

Monika Brunsting: Das ist tatsächlich ein Problem, um das man sich dringend kümmern muss. In der Beratung des Verbands Dyslexie haben wir immer wieder solche Fragen. Fertige Antworten haben wir leider keine. Es kann wirklich sehr hilfreich sein, in den deutschsprachigen Nachbarländern Informationen zu sammeln und auf ihre Anwendbarkeit in unserem Schulsystem zu überprüfen.

Wie kann ein Jugendliches, welches in der Primarschulzeit durch alle Maschen fiel u. erst in der Oberstufe LRS diagnostiziert wurde, noch gefördert werden?

Monika Brunsting: Das ist leider heute kein seltener Fall. Oft kämpfen sich junge Menschen sogar bis zur Lehrabschlussprüfung durch bis endlich jemand feststellt, dass sie an einer Dyslexie leiden und deshalb durch die Prüfung fielen. Das sollte auf keinen Fall so sein. - Was tun, wenn die Förderung erst auf der Oberstufe beginnt? Menschliche Gehirne sind zum Glück so plastisch, dass sie auch lang nach der Primarschulzeit noch gut gefördert werden können. Aufgaben, Themen, Vorgehen sind an die Entwicklungsstufe anzupassen. Erfolge sind so lange möglich als man nicht aufgibt und es auch Ressourcen gibt...

Sprachen haben einen grossen Stellenwert in der Schule. Ohne gute Leistungen in DE, EN+FR (wo das Gewicht noch immer stärker auf Lesen+Schreiben als Sprechen+Hören ist) bleibt einem die Sek A (bes. im getrennten Sekmodell) oder die Berufsmatura + damit viele Weiterbildungen verwehrt, auch wenn die Weiterbildung in technische Richtung geht. Auch ein Multicheck, der von vielen Lehrfirmen verlangt wird, ist für Legasteniker eine grosse Hürde. Ist dies einfach so? Oder ist dies als Problem erkannt?

Monika Lichtsteiner: Selektionen in schulisch anspruchsvolle Bildungsgänge können eine Hürde sein für Lernende mit LRS. Die sprachlichen Anforderungen spielen dabei oft eine Rolle. Noch nicht in allen Schulen werden die Möglichkeiten wie inklusiver Unterricht und Nachteilsausgleich genügend umgesetzt. Lehrpersonen und Lehrbetriebe fühlen sich noch zu oft unsicher im Umgang mit Lernenden mit LRS. Dennoch gibt es auch Menschen mit LRS, die eine Berufsmatur oder eine Matur absolvieren und studieren. Manchmal gelangen sie auf einem Umweg zu diesem Ziel. Unterstützung durch die Eltern oder durch Fachpersonen sind sehr wichtig.

ADS und Lese- und Rechtschreibstörung in der Primarschule. Ist es sinnvoll neben der Schule eine zusätzliche Lerntherapie zu machen und wann werden die Kosten übernommen für zusätzliche Therapien? Und wie stehen die Chancen in der Mittelstufe und Oberstufe mithalten zu können? Gibt spezielle Schulen, die Sie für Kindern mit LRS empfehlen?

Monika Brunsting: Die Kombination von ADS und Dyslexie ist häufig auch mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Neben der Schule eine Therapie zu machen - gerade wenn ADS im Spiel ist - scheint mir notwendig. Die meisten Therapien sind allerdings selbst zu bezahlen, falls man nicht einen Therapieplatz bei einer Logopädin bekommt. Die Chancen, auf der Ober- und Mittelstufe mithalten zu können, sind im Prinzip intakt. Aber es ist schon sehr anstrengend. Das Wichtigste ist, den Mut nicht zu verlieren!

Kann Strategie-Wissen helfen? Wie kann dies sinnvoll vermittelt werden, insbesonders wenn die LRS erst in der 5. Klasse diagnostiziert wird und das Selbstvertrauen und die Motivation bereits gelitten haben?

Susanne Kempe: Strategie-Wissen ist v.a. ab einem bestimmten Alter sehr wichtig. Dabei geht es nicht mehr ausschliesslich ums Üben und sich Verbessern, sondern darum, trotzdem zum Ziel zu kommen. Das kann Lernstrategien aber auch das Nutzen von Hilfsmitteln betreffen. Bei der Vermittlung geht es darum, individuell passende Strategien zu finden. Also Verschiedenes ausprobieren und herausfinden, was weiterhilft. Das ist besonders wichtig, wenn ein Kind oder Jugendlicher bereits viel Misserfolge hinter sich hat. Was leider immer wieder vor kommt.

Guten tag, Sie schreiben, dass mit fleissiger übung das lesen besser wird, ausser jemand hat eine Lese- und Rechtschreibstörung. meine tochter hat eine lese-rechtschreibschwäche diagnose. wie stehen da die chancen, dass es eine ‚normale‘ schulkarriere machen kann?

Monika Lichtsteiner: Es ist sehr sinnvoll, das Lesen GEZIELT zu fördern. Jeder Fortschritt ist nützlich für die Laufbahn und für den Alltag. Damit der Anschluss zum Unterricht gewährleistet wird, ist es zusätzlich oft auch sinnvoll, technische Hilfsmittel einzusetzen, die das Lesen und Schreiben unterstützen. Für die schulische Laufbahn ist es auch wichtig, die Stärken zu beachten.

Was/Wer kann helfen, wenn das Gelernte an der Prüfung nicht abrufbar ist? ...in den Worten des Kindes:...mein Kopf funktioniert an der Prüfung nicht richtig u. ich finde das Gelernte nicht mehr...

Monika Brunsting: Entspannungs- und Konzentrationstrainings können helfen. Auch Achtsamkeit zu üben ist eine ruhige und inzwischen recht gut untersuchte Art und Weise, um zu Ruhe und Konzentration zu kommen. Wie finden: Im Netz MBSR eingeben. In Städten gibt es Kurse für Kinder, sonst überall für Erwachsene. Die Neurowissenschaftliche Forschung zeigt, dass man mit solchen Übungen das Gehirn bis zu einem gewissen Grad umbauen kann.

Keine Frage, 1978 in der Achten Klasse machte ich auf einer A4 Seite ca 30 Fehler. ich wurde durch den Leher als Schuhldubel vor versammelter Klasse benannt, der Lehrer konnte übrigens Legasteniker noch aussprechen. Heute bin ich 59 Jahre Alt und mache immer noch viele Fehler. Seit über 20 Jahren führe ich erfolgreich eine eigene Firma mit über 45 Angestellten

Unsere Tochter 12J. hat eine Lese/Rechtschreibstörung,sowie eine Aufmerksamkeitsstörung(inkonstantes,langsames Arbeitstempo) bei durchschnittlich intellektueller Leistung.Seit Jahren versuchten wir unsere Tochter zu unterstützen.Von seitens der Schule hiess es nur sie sei einfach ZU FAUL zum Lernen!! Es würden auch keine Recourcen vorhanden sein. Wir haben jetzt die Schule gewechselt und um Unterstützung und Hilfe gebeten.Wie können wir unser Kind zus.unterstützen und warum ist das schwierig?

Monika Brunsting: Es tut mir sehr leid, dass Sie einen so langen und schweren Weg gehen mussten. Kinder mit ADS (also ohne Hyperaktivität) gehen leider immer wieder unter, weil sie einfach zu ruhig sind. Dabei verpassen sie sehr viel und werden schliesslich als faul oder dumm betrachtet. Wenn Sie eine klare medizinische Diagnose der ADS suchen, könnten sich ganz gute neue Wege auftun. Ich empfehle Ihnen, die Frage ADS diagnostisch zu klären.

Ich finde es bemerkenswert wie fortschrittlich gearbeitet wird mit Kindern mit Legastenie! Leider ist das mit einem Kind mit Rechenschwäche nicht so. Die LP wissen nicht wie mit dem Kind umgehen, die Förderlehrpersonen haben diesbezüglich keine Ausbildung(weil oft nicht vom Kanton bezahlt) und niemand kann den Eltern nützliche Infos oder Adressen angeben! Es ist wirklich zum verzweifeln....

Warum wird eine Therapie im Zusammenhang mit einer Rechenstörung im Gegensatz zu einer Zb Lesestörung vom Staat oder Krankenkasse nicht finanziell unterstützt. Oder nur wenn der/die TheraeutIn auch eine Ergotherapie Ausbildung vorweisen kann?

Monika Brunsting: Ihre Frage spricht mir aus dem Herzen. Es ist in der Tat nicht einzusehen, warum nur bei einer Dyslexie und nicht bei einer Dyskalkulie abgeklärt und unterstützt wird. Es gibt keine wissenschaftlichen oder fachlichen Gründe, nur politische. Solange das so ist, bleibt nichts anderes übrig, als für die Interessen seines Kindes allein oder zusammen mit einem Verein zu kämpfen (z.B. Verband Dyslexie Schweiz). Oft ist schon die Diagnose ein Problem. Im Kinderspital Zürich und vermutlich in anderen Kantonen ebenfalls, macht man solche Abklärungen (und die zahlt die Krankenkasse).

In der Puls-Sendung im Jan. 2018 zeigen Sie Beispiele einer Logopädie-Therapie. Uns wurde beim Schulpsychologischen Dienst gesagt, dass Logopädie nür bei starken mündlichen Problemen möglich sei. IF sei zuständig. Nach unseren Erfahrungen fehlt es aber bei IF/LP an Ressourcen/Wissen, was dazu führt, dass zwar ein Nachteilsausgleich bei der Bewertung der Sprachfächer meist gemacht wird, jedoch keine Förderung stattfindet (auch keine Förderplanung). Ist das verbreitet? Könnte Logo helfen (14 J.)?

Susanne Kempe: Wenn Probleme sich auch in der gesprochenen Sprache zeigen, ist die Logopädie zuständig. Bei Lese- oder Rechtschreibproblemen sind häufig die IF-Lehrpersonen, die ersten Ansprechpersonen und übernehmen die Förderplanung. Grundsätzlich können aber sowohl Logopädie wie IF-Lehrpersonen die Förderung durchführen. Gerade aufgrund der angesprochenen Ressourcenproblematik ist es wichtig, dass die Fachleute gut zusammenarbeiten, um den Förderbedarf abzudecken. Leider gelingt das nicht immer optimal. Der Nachteilsausgleich allein ist aber keine gute Lösung.

Guten Tag mein sohn ist in der 3 Klasse hatte auch die Einführungsklasse gemacht er hat immmer noch Mühe mit lesen, erkennt zt Wörter nicht oder verdreht Buchstaben beim lesen, sein jüngerer Bruder 1 klasse liesst schon fast flüssig wo könnte das Problem liegen

Monika Brunsting: Es ist schwierig für ein Kind zu erleben, dass das jüngere Geschwister einen bald einmal überholt. Es könnte eine Dyslexie (Lese-Rechtschreibstörung) vorliegen. Am besten wäre, ihn abklären zu lassen. Dann kann man seitersehen.

Wie zeigt sich Legastenie bei Erwachsenen? Kann es auch in Form einer Gross-Klein-Schreib-Schwäche erscheinen?

Monika Brunsting: Gross- und Kleinschreibung ist nicht ohne Tücken, ist aber gut zu lernen. Wenn dies die einzige Fehlerkategorie ist, ist es kaum eine Dyslexie. Bei einer Dyslexie sind alle möglichen Fehler zu erwarten. Eigentlich alles, was in der deutschen Sprache schwierig ist, kann vorkommen. Auch für Erwachsene gibt es Lese- und Rechtschreibtests. Gerade Erwachsene, die eine Weiterbildung oder ein Studium machen möchten, sind oft in unseren Beratungen anzutreffen, denn sie können einen Nachteilsausgleich erhalten, der ihnen hilft, ihre Behinderung auszugleichen.

Guten Tag, ich habe zwei Fragen: Wie wird eine Lernstörung wie Legasthenie genau festgestellt/diagnostiziert? Wo oder von wem können sich erwachsene Personen in der Region Bern diesbezüglich abklären lassen? Vielen Dank für Ihre Rückmeldung!

Monika Brunsting: Ja, man kann eine Legasthenie genau feststellen. In der Region Bern hat der Verband Dyslexie - wie in anderen Regionen auch - eine Psychologin, die solche Abklärungen mit Erwachsenen macht. Einfach beim Verband anfragen.

Gibt es ein Angebot für Erwachsenen (37) mit Legasthenie, um das Lesen noch verbessern oder erleichtern zu können?

Susanne Kempe: Ja, es gibt den Schweizer Dachverband Lesen und Schreiben: www.lesen-schreiben-schweiz.ch. Der Verband bietet in allen Schweizer Regionen Kurse und Informationen zum Thema an.

Probleme zeigten sich bei unserem Sohn ab der 5. Klasse (dann erst Diagnose LRS), als eine Art "Churer Modell" praktiziert wurde. In der 6. Klasse, als Hausaufgaben wegfielen, wurde eine Unterstützung zu Hause noch schwieriger. Das selbst auswählen aus Aufgaben, die Motivation, anzufangen und fertig zu machen, gestaltete sich schwierig. Oft wurde Lernzeit in der Schule mit Comic anschauen verbracht. Sind solche Lernformen schwieriger mit LRS, bzw. welche Massnahmen/Unterstützung wäre wichtig?

Monika Lichtsteiner: Entscheidend ist, dass Schülerinnen und Schüler in der Schule eine Lernumgebung haben, in der für sie das Lernen möglich ist. Im "Churer Modell" wird - soweit ich dieses Modell kenne - mit kurzen Inputs und dem individuellen Bearbeiten von Aufgaben gearbeitet. Ein Kind hat der Mutter erzählt, dass es den Input nicht verstehe und deshalb die Aufgaben nicht bearbeiten könne. Es zeigte sich, dass der Input jeweils ausschliesslich mündlich vermittelt wurde, also einseitig das Hörverstehen gefordert war. Es wäre wichtig herauszufinden, was Ihren Sohn daran hindert, die Aufgaben zu bearbeiten und was ihm helfen könnte, besser mit den Anforderungen umzugehen.

Grüezi, heute wird in der Schule eher von einer LRS gesprochen. Ich bin Legasthenikerin, bei meiner Tochter (9-jährig) ist nun von einer LRS die Rede. Was ist der Unterschied? Besten Dank

Susanne Kempe: Bei Legasthenie und LRS handelt es sich um zwei Begriffe, die eigentlich dasselbe bedeuten und auch oft synonym verwendet werden. Bei LRS wird aber im Gegensatz zu Legasthenie nicht mehr zwingend von einer auffälligen Diskrepanz zur allgemeinen kognitiven Entwicklung (Intelligenz) und den sonstigen schulischen Leistungen ausgegangen, sondern die Lese- und/oder Rechtschreibproblematik an sich steht im Vordergrund. Dabei wird nicht von Wahrnehmungsproblemen als Ursache ausgegangen, wie das bei der Legasthenie der Fall war.

Unsere Tochter hat eine Leseschwäche. Die PSH hat das bestätigt. Es gibt aber andere Schüler, die noch schlechter sind. Deshalb hilft uns die Schule nicht. Die Leseschwäche beeinflusst aber alle Schulfächer, v.a. Mathematik. Was können Sie uns für eine Therapie empfehlen?

Monika Brunsting: Wenn Ihre Tochter die Diagnose einer Abklärungsstelle hat (ich weiss leider nicht, was PSH bedeutet), würde ich auf eigene Faust eine Möglichkeit suchen. Die Erklärung "Es gibt noch schwächere Kinder" ist für die Schule in Ordnung, denn die muss mit ihren knappen Ressourcen möglichst viel Hilfe bieten. Mein Kind würde ich aber nicht opfern für dieses bildungspolitische Ziel. Sie könnten beim Verband Dyslexie anfragen, wer in Ihrer Region Sie beraten und unterstützen könnte.

Unser Sohn 8 Jahre 2 Klasse, vergisst manchmal den 1. Oder den letzten Buchstaben. Manchmal rätelt er auch Wörter.Hat das mit Ieseschwäche zu tun

Monika Brunsting: Ermuntern Sie ihn, langsam und sorgfältig zu lesen. Belohnen Sie ihn für jedes ganz gelesene Wort (ein Punkt, ein Chip). Machen Sie ein Spiel daraus, täglich ein paar Wörter zu lesen. Einzelwörter sind besser als ein Text, da kann man nicht einfach raten. Er ist ja noch sehr jung und das Üben ist für ihn extrem wichtig. Je spielerischer desto besser.

Kann man mit 18 Jahre die Legastemie nachgewiesen werden?

Monika Brunsting: Ja sicher

Raten Sie Kindern in der Primarschule den Klassengspändlis mitzuteilen, dass eine Lese-Rechtschreib-Schwäche vorliegt, damit man allenfalls nicht ausgelacht, blöd hingestellt wird?

Monika Brunsting: Das finde ich eine wichtige Aufgabe der Lehrperson. Jeder ist anders, nicht alle sind überall gleich gut. Wissen Sie, dass es sehr berühmte Legastheniker gibt? Schauen Sie im Netz. Sie werden staunen! Kürzlich hat ein Schweizer den Nobelpreis erhalten, der als Legastheniker sehr mühsam durch die Schulen ging.

Welchen Therapieansatz empfehlen sie bei einem Kind (5 Jahre) bei dem VED (verbale Entwicklungsdyspraxis) diagnostiziert wurde?

Susanne Kempe: Bei einer VED sollte das Kind logopädische Therapie erhalten. Der Therapieansatz muss auf die speziellen Belange einer sprechdyspraktischen Störung ausgerichtet werden. Bekannte Ansätze sind z.B. TAKTKIN oder VEDiT (VED-intensiv-Therapie). Bitte lassen Sie sich von einer Logopädin beraten.

Guten Tag Mein Sohn ist 12,5j und in der 5.kl (hat die 2.kl wiederholt). Nun hat er die Diagnose schwere Legasthenie. Nachteilsausgleich hat er schon in der Schule. Nun frage ich mich sollte ich mit ihm zuhause trotzdem Lesen/schreiben üben (da haben wir immer sehr viel Streit) auch von aussen (nicht Schule) höre ich immer "du musst halt üben mit ihm"....ist üben sinnvoll? Oder eher erniedrigung für Ihn?

Monika Lichtsteiner: Das Lesen und Schreiben entwickelt sich, wenn man liest und schreibt. ABER es braucht die passenden Übungen, das Anwenden von Strategien, Monitoring. Bekommt Ihr Sohn auch individuelle Förderung in der Schule? Sinnvollerweise wird mit einer Heilpädagogin oder Logopädin abgesprochen, ob zu Hause geübt wird, was genau und wie lange. Kinder und Jugendliche brauchen ein ausgewogenes Programm und auch Freizeit.

Wie weit sind wir mit dem Thema Hochbegabung/Minderleister, was ich bei meiner Tochter auch als lernbehindernd erlebe, leider erkrankte sie auch depressiv. Diese Menschen passen nur sehr bedingt in unser Schul- und Bildungssystem. Besten Dank für Ihre Antwort.

Monika Brunsting: Das ist ein schwieriges Kapitel. Aber auch hochbegabte Minderleister brauchen Unterstützung. Wenn sie eine Dyslexie haben, sollten sie auch eine spezifische Förderung erhalten. Das ist leider in der Schweiz nicht mehr üblich. Aber Sie haben recht: das Bildungssystem ist nicht einfach für solche Kinder.

Unsere Tochter hat für die kommende Lehrabschlussprüfung vom Kanton einen Nachteilsausgleich erhalten. Sie bekommt mehr Zeit für die Prüfungen (Ausbildung als FAGE) und es ist angegeben, dass die Rechtschreibung sinngemäss wiedergegeben werden muss. Ausser in spezifischen Fächer wo die Kommunikation im Mittelpunkt steht. Die Schule will nun die Rechtschreibeentbindung nicht akzeptieren. Was können wir machen? Die Bestätigung über den Nachteilausgleich haben wir vom Kanton erhalten. Besten Dank.

Monika Brunsting: Was ist eine Rechtschreibeentbindung? Vielleicht kann man das Ding anders benennen und die Schule versteht das Problem? Können Sie bei der Abklärungsstelle nachfragen, was man anders formulieren könnte? Manchmal muss man hartnäckig verhandeln mit den Schulen.

Guten Tag Ich habe selbst Legasthenie, ermüde sehr schnell beim Lesen. Gibt es methoden dies zu ändern? Zudem habe ich das Gefühl das es immer schlimmer wird, ist das normal?

Monika Lichtsteiner: Viele Menschen mit Legasthenie hilft es, wenn sie sich bestimmte z.B. längere Texte vorlesen lassen. Es gibt assistive Technologien, die das Lesen unterstützen. Falls Sie mehr über diese Möglichkeiten erfahren möchten, melden Sie sich beim Verband Dyslexie www.verband-dyslexie.ch.

Wie werden sehr begabte /hochbegabte Kinder mit Legasthenie-Vermutung abgeklärt? Wie wird dies beurteilt? Haben sie einen Anspruch auf einen Nachteilsausleich?

Monika Brunsting: Das ist eine gute Frage. Aus der Sicht des Verbands Dyslexie haben sie selbstverständlich Anspruch auf Förderung und falls nötig im Prinzip auch auf einen Nachteilsausgleich. Das Schweizerische Behinderten-Gleichstellungsgesetz gilt für alle Menschen, auch für Hochbegabte. Die Abklärung macht der örtliche SPD und der arbeitet an den meisten Orten auch im Interesse der Kinder oder Sie fragen beim Verband Dyslexie nach einer privaten Abklärungsstelle.

Mein 9-jähriger Sohn wird gerade vom KJPD aud ADS abgeklärt. Jetzt wo ich den Beitrag über Legastenie sehe, vermute ich, dass auch er daran leidet. Würde das bei der ADS-Abklärung zum Vorschein kommen? Oder muss ich die Psychologen darauf ansprechen?

Monika Brunsting: Bitte darauf ansprechen! Das zeigt sich in einer ADS-Abklärung nicht.

Unser Sohn ist 15 Jahre alt. Wir vermuten bei ihm eine Rechtschreiblegastenie. Er liest sehr viel und schnell, aber die Rechtschreibung will ihm nicht glücken. Im Sommer kommt er in die 9. Klasse. Es stört ihn, dass er die Rechtschreibung nicht hinbekommt. Sollte er dies abklären, bevor er eine Berufslehre beginnt?

Monika Brunsting: Das ist eine ausgezeichnete Idee.

Ich bin 55 Jahre und bin Legastheniker. Frage gibt es neue Terabien um mit der Lanstein besser im Alltag als IT Techniker umzugehen ?

Monika Lichtsteiner: Es könnte nützlich sein, die Anforderungen am Arbeitsplatz zu analysieren und gezielt assistive Technologien einzusetzen. Falls Sie interessiert sind, melden Sie sich beim Verband Dyslexie für ein Informationsgespräch: www.verband-dyslexie.ch.

Es ist erwiesen dass wir Legasteniker in Bildern denken. Wir haben viel mehr Bilder zum gleichen Wort als andere. Das braucht Zeit zum verarbeiten. Einstein und Disney waren auch Legasteniker ich finde es ist keine Behinderung es ist ein anderer Denkvorgang. Entscheidet di Mehrheit was Behindert ist?

Als Kind wurde bei mir Legasthenie diagnostiziert und in der der Folge erfolgreich therapiert. Ich bin heute sprachlich versiert. Lese und schreibe auch sehr gerne. Wenn ich müde oder angespannt bin, passiere mir aber manchmal wieder Legasthenie-Fehler. Meine Frage: ist es möglich, dass die Legasthenie im Alter wieder aufkommen könnte?

Susanne Kempe: Es ist erfreulich, dass Sie heute so gut damit zurecht kommen und sprachlich versiert sind. Wenngleich eine leichte Schwäche im Hintergrund noch vorhanden ist. Sie zeigt sich bei grosser Anspannung und Müdigkeit, wenn Sie weniger in Form sind. Entsprechend könnten sich Fehler mehren, wenn altersbedingt Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit abnehmen. Mir sind dazu aber keine Untersuchungen bekannt.

Legastenie ist keine Behinderung,es ist bildliches denken und das braucht nun mal Zeit.

Der heutige Markt ist mit Elternratgebern und auch Ratgebern für Lehrpersonen von Lernenden mit LRS überflutet und der Überblick fällt einem schwer. Wie finde ich passende Anlaufstellen, als Eltern und als Lehrperson, für gute Ratgeber und Fachliteratur?

Monika Brunsting: Schauen Sie, was es auf der Website des Verbands Dyslexie schon hat. Regen Sie an, eine aktuelle Sammlung zusammenzustellen. Ich finde das eine ausgezeichnete Idee!

Es betrifft eine Schülerin mit Hochbegabung, welche ihr Potential nicht ausschöpfen kann, da sie zwar Dinge sehr schnell begreift, grundsätzlich hoch interessiert und motiviert ist, jedoch das Gelernte oft gleich wieder vergisst. Sie lernt engagiert auf Prüfungen, scheitert aber regelmässig, da das Gelernte „weg“ sei. Liest sie Bücher, was sie liebt, ist nach kürzester Zeit der Inhalt so vergessen, dass das Buch neu erscheint. Woran könnte das liegen? Wie könnte es angegangen werden? Bei wem?

Monika Brunsting: Wurde schon abgeklärt, ob sie eine ADS hat? Ihre Beschreibung sieht verdächtig danach aus. Falls noch nicht abgeklärt, am besten bald abklären und danach schauen, was ihr am besten helfen kann. Es ist schade und für die psychische Entwicklung gar nicht gut, wenn ein gutes Potential nicht ausgeschöpft werden kann. Depressionen sind häufig Folgen von solchen Situationen.

Einer meiner Schüler (13, Gymnasium) hat in den meisten Fächern gute Noten und schreibt, wenn er Zeit hat mit wenig Fehlern, doch unter Zeitdruck fehlen Endungen, mitten im Satz werden Wörter gross geschrieben, die klar keine Nomen sind und jede Interpunktion fehlt. Einfachste Wörter werden dann komplett falsch geschrieben. Kann das Legasthenie sein? Ist es als Legastheniker möglich, bei hoher Konzentration und Zeit, wenige Fehler zu schreiben?

Monika Brunsting: Das kann Legasthenie sein. Gut begabte Schüler kennen oft Orthographieregeln. Um diese zu nutzen, brauchen sie aber mehr Zeit als die anderen, die nicht so viel zu überlegen brauchen. Auf jeden Fall ist es sehr gut möglich, als Legastheniker weniger Fehler zu machen, wenn man genug Zeit hat. Also, wenn es schlimm ist, bitte abklären. Man kann als Legastheniker im Gymnasium auch einen Nachteilsausgleich erhalten.

Im Fernsehbeitrag hat das betroffene Mädchen eine neurologische Abklärung als Kind gemacht. Wer organisiert diese bzw. wer ist zuständig dafür? Sind dies immer nur die Fachlehrer einer Schule oder kann ich mich an eine externe Stelle wenden, falls ich den Eindruck habe, das mein Kind eine Lernschwäche hat? Ab wann sollte man mit einer Abklärung beginnen?

Susanne Kempe: Eine neurologische Abklärung erfolgt in einer Klinik, bspw. in der EPI-Klinik. Sie ist aber nicht in jedem Fall erforderlich. Sie können sich mit der Verdacht auf LRS an den Schulpsychologischen Dienst, das Kinderspital, den logopädischen Dienst oder die Schulische Heilpädagogin/IF-Lehrperson wenden. Als erstes würde ich immer mit der Lehrperson sprechen. Eine Abklärung ist dann angezeigt, wenn Eltern und Lehrpersonen sich Sorgen machen. Das kann bereits in der ersten oder zweiten Klasse sein.

Wieso wartet der SPD, auch wenn es offensichtlich ist bis in die 3. Klasse mit LRS Abklärungen. Könnte man die Kinder nicht schon viel früher auffangen, und ihnen die ersten 2 Jahre leiden ohne Diagnose ersparen?

Monika Brunsting: Das weiss wohl niemand so genau. Auffangen könnte man wirklich früher. Man könnte Risikokinder viel früher unterstützen und fördern. Es muss auch nicht immer eine Therapie sein. Lesen trainieren könnte man auch mit Helfern. Es gibt in den Niederlanden ein Projekt, in dem ältere Menschen über eine gewisse Zeit täglich im Schulhaus mit Risikokindern ehrenamtlich das Lesen trainierten. Mit grossem Erfolg. So etwas wäre auch in der Schweiz möglich. Man müsste es einfach anpacken.

Ich habe gelesen, dass ein tägliches 20 minütiges Wörter abtippen eine Legasthenie innerhalb eines Jahres (fast) zum Verschwinden bringen kann. Dies weil ein/e Legastheniker/in die Wörter durch verschiedene Sinne aufnimmt (sehen, Bewegung durch tippen, hören durch das laute Buchstabieren). Was halten Sie davon? Können Sie dem zustimmen?

Monika Brunsting: Das habe ich noch nie gehört und bin etwas skeptisch, wegen des Tippens. Die Formel sehen- bewegen (beim Schreiben von Hand) - hören ist ausgezeichnet. Wenn drei Kanäle beim Lernen involviert sind, lernt man besser und tiefer. Ich denke, man könnte mit einem solchen Training einiges erreichen.

Guten Abend, in der Primarschule wurde bei meinem Sohn eine Legasthenie diagnostiziert. Bereits meine Schwester hatte diese Diagnose. Mein Sohn ist inzwischen 23 Jahre, gelernter Forstwart, MOTfahrer im Militär, seither von Beruf LKW-Chauffeur und würde gerne eine Weiterbildung (z.B. HF Forstingenieur) machen, traut sich jedoch nirgends mehr zu bewerben, da er überall Aufnahmeprüfungen mit Diktaten absolvieren muss. Wo kann er sich abklären lassen, um zu einem Nachteilsausgleich zu bekommen?

Monika Lichtsteiner: Beim Verband Dyslexie Schweiz erfahren Sie, wo sich Erwachsene abklären lassen können. Für die Aufnahmeprüfung würde es sich lohnen, mit der Schule das Gespräch zu suchen. Anregungen könnte er beim folgenden online-Kurs erhalten: Legasthenie (LRS)/Dyskalkulie: Self-Advocacy, Impuls-Abend

Unser Sohn ist in der 1. Primarklasse. Er zeigt teilweise ein auffälliges Verhalten, verweigert zeitweise die Arbeit die er leisten sollte und kann sich in der Schule schlecht konzentrieren. Seine Lehrpersonen hegen den Verdacht auf ADHS. Zu Hause besteht für uns kein grosser Leidensdruck. Wie rasch würden Sie uns empfehlen, ihn auf ADHS abklären zu lassen?

Monika Brunsting: Lieber früher als später. Früher, weil die IV eine Therapie zahlt, wenn es eine ADHS/ADS ist. Aber nur bei einer Anmeldung, bis zum 9. Lebensjahr.

Guten Abend, mein 12jähriger Enkel hat eine Lese- Rechtschreibestörung (LRS) Trotz Bestätigung vom Schulpsychologischen Dienst und Kinderarzt musste seine Mutter sehr kämpfen, damit er in der Schule für kurze Zeit Unterstützung bekam. Es bleibt eigentlich nur der Weg, auf privater Basis für Unterstützung besorgt zu sein. Gibt es da finanzielle Unterstützung, eventuell KK oder IV, oder muss das selbst bezahlt werden?

Monika Lichtsteiner: Für Fördermassnahmen im Schulalter sind die Schulen zuständig. In der Realität kommt es oft vor, dass Eltern (ergänzend) private Förderung selber finanzieren.

Guten Abend, ab welchem Alter ist eine Abklährung einer Legastenie und Diskalkulie sinvoll. Beide Eltern sind betroffen und Kind ist in der 2. Klasse und ist langsam im lernen. Vielen Dank

Monika Brunsting: Ich würde empfehlen, das mit der Schule anzusprechen. Wenn die Diagnose gestellt wird, kann eine Unterstützung und Förderung früher erfolgen. Gerade, wenn die Eltern auch betroffen sind, ist das besonders wichtig. Wenn es zu keiner Diagnose kommt, braucht Ihr Kind trotzdem Hilfe und kann die im IF auch bekommen.

Besteht bei diagnostizierter Legasthenie auch eine Dyskalkulie? Und kann mit geduldigem Üben eine Verbesserung erfolgen?

Susanne Kempe: Beides kann gemeinsam auftreten aber auch isoliert. Beim Rechnen wie auch beim Schreiben geht es um die Verarbeitung von visuellen Zeichen. Kommen noch Satzrechnungen hinzu, muss auch gelesen werden. Üben kann helfen, aber die Schwäche nicht ganz beseitigen.

Wie gut werden die Lehrpersonen an der PH ausgebildet, um LRS festzustellen? Habe die Erfahrung gemacht, dass sie so gut wie keine Ahnung haben und es eher selbstnetroffenen Eltern auffällt. Und ist es möglich, dass man durch sehr vieles lesen und schreiben die LRS fast verschwindet und nur noch in Fremdsprachen sich bemerkbar macht? Besten Dank für die Beantwortung!

Monika Brunsting: Ich kenne die Curricula der PHs nicht alle. Manche vermitteln das recht gut. Aber die jungen Lehrpersonen müssen so viel lernen, dass dies und das einfach wieder untergeht. Schlau wäre es, in den ersten Jahren Fortbildungskurse dazu zu besuchen. Dann könnte man das im Unterricht gleich einsetzen und es würde viel mehr bewirken - bei Lehrpersonen und schliesslich auch bei Kindern. Durch viel lesen und schreiben kann eine LRS in vielen Fällen (wenn sie nicht allzu stark war) auch so ziemlich verschwinden. Und sich nur noch in Fremdsprachen zeigen. Das ist gut möglich.

Kann eine hohe Intelligenz Legasthenie kaschieren, sodass es lange unbemerkt bleibt? Könnte dies auch die Diagnose erschweren?

Monika Brunsting: Ja das kann ganz gut sein. Deshalb kommen immer wieder Kinder erst spät zur Abklärung.

Grüezi, meine Tochter (13 J.) liest problemlos dicke Bücher. Mit der Rechtschreibung hat sie grosse Probleme. Sie kann keinen Satz ohne Fehler schreiben. Diktate sind schlimm für sie. Auch Abschreiben oder einen Text ins reine schreiben geht nicht. Ich überlege, ob ich Abklären soll, was das Problem ist und ob sie für die Oberstufe einen Nachteils Ausgleich erhalten würde? Danke für Ihre Antwort

Monika Lichtsteiner: Eine Abklärung wäre wohl sinnvoll.

Als Fachperson möchte ich gerne wissen, was Sie vom Lesetraining GraphoLearn der Universität Zürich für Leseanfänger mit LRS halten. Würden Sie dieses weiterempfehlen?

Monika Brunsting: Das Training ist noch sehr neu und es ist noch in der Erprobung. Es ist attraktiv und die Kinder trainieren gern damit. Ich würde es ausprobieren (bis Ende Jahr kann man es - glaube ich - noch gratis nutzen) und zum Ausprobieren empfehlen. Nur so kommt man weiter. Wenn man nichts ausprobiert, bleibt man stehen. Das Grapholearn ist ein Training, das an Universitäten in Zürich und Finnland entwickelt wurde. Das bedeutet, dass die Forscher auf aktuellem Wissen aufbauen und das lässt hoffen.

Guten Tag, hat ein Kind das Recht, mit einer ärztlich anerkannten LRS von einer Fachklinik in der Schweiz, die Sekundarstufe im Niveau A zu besuchen? Wenn das vom Kanton verweigert wird, kann man das rechtlich anfechten? Wie stehen die Chancen dazu auf Erfolg? Besten Dank für Ihre Auskunft.

Monika Lichtsteiner: Schülerinnen und Schüler erhalten Zugang zum erweiterten Niveau, wenn sie die geltenden Anforderungen erfüllen. Das gilt im Grundsatz auch für Jugendliche mit einer diagnostizierten LRS. Sie haben aber Anspruch auf Nachteilsausgleich beim Lernen und bei Prüfungen. Damit sind formale Anpassungen gemeint wie Zeitzuschlag, Hilfsmittel, separater Raum etc. Diese Anpassungen müssen geeignet sein, den individuell vorhandenen Nachteil einer Person mit einer Beeinträchtigung auszugleichen. Werden z.B. keine formalen Anpassungen gewährt, dann kann der rechtliche Weg erfolgreich sein. Sinnvollerweise erkundigen Sie sich vorgängig. Grundsatzfragen können von Fachleuten des Verbandes Dyslexie beantwortet werden. Wenn es um Detailfragen geht, bietet inclusion handicap Rechtsberatung an. www.inclusion-handicap.ch

Guten AbendIch habe Legasthenie, Studiere Sozialpädagogik und wir müssen viel Arbeiten schreiben. Was für Korrektur-Programme können Sie mir empfehlen? Und allgemein was können sie mir für Tipps geben beim Arbeiten schreiben. Gibt es auch Korrektur-Programme die man für das Mail das einrichten kann?

Monika Lichtsteiner: Es gibt Korrekturprogramme, die bei der Rechtschreibung unterstützen. Am besten melden Sie sich via Verband-Dyslexie. www.verband-dyslexie.ch

Kann man eine Leseschwäche auch erst mit 21 Jahren feststellen? Unsere Tochter hatte immer Mühe mit Lesen und Schreiben. Wenn sie einen Vertrag oder eine Abmachung unterschreiben muss, unterschreibt sie nur mit Rücksprache mit uns Eltern, weil sie den Inhalt unsicher versteht. Sie hat letztes Jahr die Matura gemacht. Ihr Lehrer hat mir mal gesagt, er hätte nie gedacht, dass sie die Matura je schaffen würde mit ihrem Deutsch! Könnte sie auch eine abgeschwächte Form von Legasthenie haben. Danke!

Monika Lichtsteiner: Eine Lesestörung kann auch im Erwachsenenalter diagnostiziert werden. Es wäre aber auch wichtig herauszufinden, was zum Problem mit dem Leseverstehen führt und wie sie damit umgehen könnte. Lesestrategien und/oder assistive Technologien könnten ev. nützlich sein für sie.

Der Experten-Chat ist beendet. Leider konnten in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht alle Fragen beantwortet werden. Mehr Informationen zum Thema finden Sie in untenstehender TV-Sendung.

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12.04.2021 | Was heisst es, Legasthenikerin zu sein?

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