Jeder zittert einmal - aus Nervosität, aus Angst oder nach einer starken körperlichen Belastung beispielsweise. Mit dem essentiellen Tremor, auch Alterszittern genannt, hat das noch nichts zu tun, denn das Zittern stoppt in dem Moment wieder, in dem der Auslöser wegfällt. Beim essentiellen Tremor jedoch bleibt das Zittern bestehen. Es beginnt meist ab 60, bei manchen allerdings auch schon früher. Das unkontrollierbare Zittern nimmt im Laufe der Jahre zu. Irgendwann werden schon kleinste alltägliche Handlungen zur Zitterpartie: das Trinken aus einem Glas, das Eingeben einer Telefonnummer, das Essen mit der Gabel. Spätestens dann müssen medizinische Lösungen her. Medikamente können die Symptome lindern. Die tiefe Hirnstimulation, ein chirurgischer Eingriff im Gehirn, kann das Zittern sogar nahezu komplett stoppen. Bis jedoch die Entscheidung für eine solche Operation fällt, sind viele Fragen offen. Prof. Alain Kaelin und Dr. Oguzkan Sürücü haben sie im Chat beantwortet - fünf von ihnen finden Sie hier.
Antwort von Dr. Oguzkan Sürücü: Automatisierte Bewegungen und Haltungen (z.B. Fahrradfahren) funktionieren unbewusst sehr gut. Wenn die Aufmerksamkeit bewusst auf eine Handlung gelenkt wird, werden zusätzliche Hirnzentren aktiviert, um dem die hohe Priorität zu verleihen. Jedoch kann eben bei gestörten Regelkreisen im Bereich des zielgerichteten Handelns dann die Symptomatik verstärkt werden. Wir sind gerade am Beginn, das Gehirn näher zu verstehen...
Frage von U. F., 7112 Duvin: Wie hoch ist der Anteil der Patienten, die bei der OP genesen oder teilweise genesen?
Antwort von Prof. Alain Kaelin: Eine deutliche Besserung des Zittern tritt in >90% der Patienten auf. Manchmal wird dies aber von Nebenwirkungen wie verwaschener Sprache oder leichten Gleichgewichtstörungen begleitet, und der Patient ist deswegen eventuell leicht gestört. Eine schwerwiegende Komplikation wie eine Hirnblutung während der Operation ist hingegen sehr selten.
Frage von A. N., Gelterkinden: Idee als Übung? Würde es allenfalls etwas nützen, Pantomime zu spielen? Die Vorstellungskraft spielt eine essentielle Rolle und die zu übertragende Muskelkraft kann variiert werden.
Antwort von Dr. Alain Kaelin: Ich habe persönlich keine Erfahrung mit Pantomime als Therapie des Zittern. Unsere Erfahrung als Neurologe ist aber, dass bei starkem Tremor keine Therapie, die auf Vorstellungskraft, Entspannungsübungen, Training, usw... eine wirksame Verbesserung der Funktion im Alltag bewirken kann.
Frage von E. G., 1212 Grand-Lancy: Mein Freund ist 73 Jahre alt und zittert besonders stark am rechten Daumen, fast den ganzen Tag. Was kann er unternehmen?
Antwort von Dr. Oguzkan Sürücü: Es hört sich wie ein Zittern unter Ruhebedingungen an, typischerweise im Bereich des Daumens, was eher bei der Parkinson-Krankheit auftritt. Wenn er noch einen gestörten Schlaf hat, verlangsamt und vornübergeneigt geht und wenig Mimik zeigt, Blockaden hat oder nicht mehr gut schreiben kann, könnten dies weitere Hinweise für die Parkinson-Krankheit sein. Einen Gang zum Neurologen würde ich empfehlen, falls sie weitere oben genannte Symptome sehen. Etwas unternehmen könnte man erst beim Stellen einer Diagnose.
Frage von T. H., Bern: Guten Tag, ich bin 50, meine Mutter und einige verstorbene weibliche Verwandte leiden/litten unter dem Alterszittern. Auch bei mir bemerke ich in angespannten Situationen ein vorhandenes feines Zittern der Hände. Kann das schon ein erstes Anzeichen sein, was kann ich präventiv dagegen tun?
Antwort von Dr. Oguzkan Sürücü: Obwohl eine familiäre Häufung bekannt ist, gibt es noch keine genetische Testung aus Mangel an nachgewiesenen Mutationen. Ihr Zittern kann tatsächlich ein beginnendes Zeichen des sog. essentiellen Tremors sein. Aber Zittern unter Anspannung ist noch lange keine Diagnose, sondern häufig im Rahmen der Standardabweichung des Normalen. Daher empfiehlt es sich bei Zunahme der Beschwerden, insbesondere beim Halten und Führen von Gegenständen, einen Neurologen mit Erfahrung auf dem Gebiet von Bewegungsstörungen aufzusuchen.