Es muss wahre Leidenschaft sein, wenn man bei Kälte, Schnee und garstigem Wetter den Rucksack packt, um in Skischuhen eine Felswand hochzuklettern. Der Wind rauscht um die Ohren, die Sicht ist schlecht, kurz zuvor ist eine Staublawine und ein Schneebrett niedergegangen. Ideale Bedingungen? Ja, wenn es darum geht, die Risikobeurteilung von künftigen Alpinistinnen und Alpinisten zu schulen.
Es braucht die richtige Technik
Sechs Männer und sechs Frauen absolvieren die zweijährige SAC-Ausbildung im professionellen Bergsport. Auf dem Programm steht nebst anspruchsvollen Skihochtouren und spektakulären Grat-Überschreitungen auch Klettern in all seinen Facetten. An schneebedeckten Wänden, an Fels mit Steigeisen und Pickel, eingezwängt in Risse.
Und: Das Übernachten an hohen, steilen Wänden. Erst beim Aufstieg wird entschieden, wo das sogenannte Portaledge, eine Art Feldbett, aufgebaut wird. Keine einfache Sache.
Und wie geht man an der Wand aufs Klo? «Der Klettergurt ist so modern, dass man auch als Frau die Hosen gut runterlassen kann. Die grösste Kunst ist, anzuspannen, was angespannt sein muss und zu entspannen, was entspannt sein soll» erklärt es Nachwuchs-Alpinistin Lea Schneider mit einem Schmunzeln.
Und die richtige Einstellung
Das Panorama, in dem sich die Bergsportlerinnen und Bergsportler in den Alpen bewegen, ist wunderschön. Die Bilder der kräftezehrenden Trainings höchst eindrücklich.
Wenn du in den Bergen einmal in ein Gewitter kommst, willst du das nicht ein zweites Mal erleben.
Zu den zentralen Fähigkeiten angehender Alpinistinnen und Alpinisten gehört aber auch, Gefahren einschätzen und richtig reagieren zu können. «Wenn du in den Bergen einmal in ein Gewitter kommst, willst du das nicht ein zweites Mal erleben», erzählt der professionelle Bergführer Peter von Känel.
Im Schneegestöber beobachtet er sein Team von der Seite. «Sie müssen selber ein Bauchgefühl entwickeln, das dir sagt ‹Jetzt musst du umkehren›. Ich bin nur die Notbremse.»
Profi-Alpinist Stephan Siegrist ergänzt einen weiteren wichtigen Aspekt: «Bergsteiger sind bekannt dafür, dass sie egoistisch unterwegs sind und nicht über Fehler reden dürfen.» Der Nachwuchs soll während der Ausbildung auch lernen, wie man über Gefühle, Stärken und Schwächen spricht. «Der Beste ist nicht, wer am meisten Risiken eingeht, sondern, wer seinen Kopf einsetzt.»
Trotzdem: Ein Restrisiko bleibt immer
Auch nach intensivem Training und jahrelanger Erfahrung bleibt für die Alpinistinnen und Alpinisten immer ein Restrisiko bestehen. Das Schöne und das Gnadenlose liegt in den Bergen nah beieinander. Einer der Ausbildungsteilnehmer, Tizian Tobler, verunfallt bei einer Klettertour tödlich. Ein Felsbrocken löste sich.
Der tragische Tod des jungen Mannes beschäftigt die Gruppe stark. «Wenn jemand so verunglückt, ist das sehr schwierig. Es führt einem vor Augen, dass es auch einen selbst treffen kann», sagt Peter von Känel.
Die Leidenschaft fürs Klettern hatte Tizian Tobler als Kind von seinen Eltern mitbekommen. «Er war Feuer und Flamme für den Bergsport», erzählt der Vater. Es sei immer sein grosser Traum gewesen, Teil des SAC-Expeditionsteams zu werden. «Berge fordern und zeigen Grenzen auf», sagt die Mutter. «Es ist ein schmaler Grat. Die Berge können gnadenlos sein. Aber sie geben auch viel.»