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Dialektwörter damals und heute Als «rüdig» noch ein böses Fluchwort war

Oft ist die Rede von Begriffen, die man heutzutage aufgrund politischer Korrektheit nicht mehr sagen sollte. Doch es gibt auch das Umgekehrte: Begriffe, die früher eine heftige Beleidigung waren und heute harmlos sind. Eine Auswahl.

Bei der Gameshow für Kinder, «SRF Kids – Next Level», spielen drei Klassen gegeneinander. Eine aus Luzern, eine aus dem Kanton Obwalden und eine aus dem Kanton Nidwalden. Nicht selten hörte unsere SRF-Crew beim Dreh vor Ort von Kindern aus letzteren beiden Kantonen die Ausdrücke «Reissäckler» (gesprochen: «Riissäckler») und «Tschifeler».

Ursprünglich waren dies abschätzige Bezeichnungen von Nidwaldnern gegen Obwaldner und umgekehrt. Heute sind dies keine Schimpfwörter mehr. Sie wurden gewissermassen entschärft. Hier ein paar weitere Begriffe, die ihre «böse» Bedeutung verloren haben und heute im Vergleich zur Vergangenheit unproblematisch(er) sind.

«Tschifeler»: Die beiden Begriffe «Reissäckler» und «Tschifeler» sind eine Eigenheit der beiden Halbkantone Nidwalden und Obwalden. Die Nidwaldner bezeichnen die Obwaldner als «Tschifeler». Das Dialektwort «Tschifere» – von dem «Tschifeler» abgeleitet wurde – ist ein Rückentragkorb aus Weidenruten oder aus Holzlatten. Tschifeler sind also die Leute, die Tschiferen tragen.

Lithografie von Ferdinant Raimund mit Tschifere
Legende: So trugen die Menschen eine Tschifere. (Bild: Lithografie des österreichischen Schauspielers Ferdinand Raimund, um 1826 herum entstanden) Wien Museum Online Sammlung

Nach einer Legende haben die Obwaldner die Nidwaldner verraten. Sie sollen den Franzosen beim sogenannten Franzosenüberfall im Jahr 1798 den Weg nach Nidwalden gezeigt haben. Danach hätten die Obwaldner die Häuser, die die Franzosen zerstört hatten, geplündert und die Beute in ihren Tschiferen nach Hause getragen. Darum hat man das Wort «Tschifeler» als Schimpfwort benutzt. Diese Geschichte ist jedoch nicht belegt.

Eine Illustration vom Franzosenüberfall im Jahr 1798 in Nidwalden.
Legende: Der Kampf beim Drachenried: Eine Illustration vom Franzosenüberfall im Jahr 1798 in Nidwalden. Wikipedia / Staatsarchiv Nidwalden

Heutzutage gehen die Nidwaldner aber entspannt mit dem Begriff um. In Flüeli-Ranft gab es bis vor Kurzem sogar das Restaurant «Tschiferli».

«Reissäckler»: Die Obwaldner bezeichnen ihre Nachbarn aus dem Kanton Nidwalden gerne als «Reissäckler». Möglich ist, dass der Begriff aus dem Mittelalter stammt, als viele Innerschweizer ihre Heimat als Söldner verliessen. Diese wurden «Reisläufer» genannt. Wahrscheinlicher ist aber, dass es einfach ein anderes Wort für ein Reisegepäck war. Ein «Reissäckli» ist heute ein fester Bestandteil der typischen Nidwaldner Tracht.

Frauen und Männer in der traditionellen Nidwaldner Tracht
Legende: Hier ein Bild aus heutiger Zeit der traditionellen Nidwaldner Tracht mit dem grünen Reissäckli. Keystone/ Urs Flüeler

«Rüdig»: Im Luzerner Dialekt wird das Wort heute gerne benutzt, um eine Aussage zu verstärken. «Rüdig guet» oder «rüdig schön» bedeutet also sehr gut oder sehr schön. «Rüdig» kommt von «Räude», und dies war ursprünglich die Bezeichnung für eine Milbenerkrankung bei Mensch und Tier. Folgen davon waren Haarausfall und eine gerötete, geschwollene Haut. So hat man früher «rüdig» als Schimpfwort für einen schlechten Menschen oder eine «unsaubere» Person benutzt. Heutzutage ist das Wort aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwunden, da es die Krankheit kaum mehr gibt. Geblieben ist das Wort einzig im Luzerner Dialekt.

Sprachliche «Entschärfung» bei Familiennamen

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Es gibt Familiennamen, die beispielsweise körperliche oder charakterliche Eigenschaften des ersten Namensträgers beschreiben:

  • Wüthrich: Dies war ein Übername aus dem Mittelhochdeutschen wüet(e)rich (auch auf Schweizerdeutsch «Wüeterich») für eine «Person, die leicht und oft in Wut gerät» und für einen Menschen, der aufgrund seiner wenig friedliebenden Natur mit dem Beinamen näher charakterisiert wurde.
  • Zaugg: Der Name kommt von «zouke», das im Mittelhochdeutschen Schnabel, Giessröhre, oder im Schweizerdeutschen «Ausgussschnabel an einem Gefäss» hiess. Die Person hatte eventuell eine auffällige Nase oder prägnante Lippen (vgl. Zingg im Schweizerdeutschen).
  • Die Familiennamen Diggelmann/Dickelmann sind im Kanton Zürich alteingesessen. Ursprünglich lautete der Name «Dickermann», ein Übername für einen korpulenten Menschen.
  • Hauri kommt vom alten schweizerdeutschen Verb «hauren/huren/hore», das «laut reden, heulen, schreien» bedeutet. Der Uhu heisst im Altschweizerdeutschen zum Beispiel Hauri. Vielleicht wurde ein Mensch, der Hauri genannt wurde, mit einem Uhu verglichen.

Quelle: familiennamen.ch

«Geil»: Ein sehr bekanntes Beispiel für ein Wort, das «entschärft» wurde. Das Wort «geil» ist germanischen Ursprungs und bedeutete anfänglich «aufschäumen». Im Hochdeutsch des Mittelalters hat «geil» die Bedeutung kraftvoll, üppig oder auch lustig, fröhlich. Also ganz harmlos. Mit dem Wort «azgeil» bezeichnete man aber damals schon etwas Zügelloses oder Gelüste. Ab dem 18. Jahrhundert galt das Wort als «harter Begriff». Heutzutage heisst es im Herkunftsbuch des Dudens: «In der Jugendsprache ist geil im Sinne von ‹grossartig, toll› gebräuchlich.»

SRF 1, kids@srf, 18.1.2015, 11:05 Uhr

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