SRF Kultur: Alfred Schlienger, Ihr Buch über das «junge theater basel» heisst «Forever Young – Junges Theater zwischen Poesie und Revolte». Beschreiben diese beiden Extreme die Jugend?
Alfred Schlienger: Zwischen diesen Extremen bewegen sich Jugendliche. Zwischen Wünschen, die oft etwas Traumhaftes haben, die aber auch auf Widersprüche stossen, gegen die sie revoltieren wollen und müssen. Diese Spannbreite umfasst auch die Extreme, von denen das Theater allgemein lebt – und das «junge theater basel» ganz speziell.
Auch in Schülervorstellungen spielen Jugendliche für Jugendliche und auch an anderen Theatern wird unter professionellen Bedingungen Theater für und mit Jugendlichen gemacht. Was zeichnet das «junge theater basel» aus?
Speziell ist, dass sich das «junge theater basel» von A bis Z dieser Sache widmet. Es macht Theater für junge Leute, und es macht nur das. Von den Theaterkursen bis zu den Aufführungen, von der Dramaturgie bis zur Technik, alle widmen sich ausschliesslich dieser Sache, und das ist besonders.
Das führt auch immer wieder zu ganz besonderen Produktionen, die auch auf Festivals im In- und Ausland eingeladen werden. Und viele erfolgreiche Theaterkarrieren haben hier begonnen.
Das stimmt. Andererseits ist das «junge theater basel» wesentlich mehr als eine Talentschmiede und ein Sprungbrett. Die Erfolge, die Sie erwähnen, sind nur die Spitze des Eisbergs. Die regelmässigen Theaterkurse geben dem Theater den Boden, und der ist extrem wichtig. Das ist wie Breitensport, der in die Gesellschaft hineinwirkt. Auch im Breitensport gibt es Spitzenkräfte, aber im Kern geht es um viel mehr.
Sie haben für dieses Buch viele Interviews geführt – mit ehemaligen und heutigen Spielern und Spielerinnen. Gibt es Themen, die sich durch die Jahrzehnte hindurchziehen?
Was mir immer wieder aufgefallen ist, ist die existenzielle Bedeutung, die diese Zeit für alle hatte und immer noch hat. Selbst Jahre später erinnern sie sich daran und sprechen davon, als wäre es gestern gewesen.
Auch das ist speziell: Es geht in diesem Theater immer ums Ganze, es ist im besten Sinne ganzheitlich, weil es Verstand, Gefühl und Körper anspricht.
Das «junge theater basel» ist ein Erfolgsmodell. Ist es nicht erstaunlich, dass dieses nicht schon längst von anderen Theatern kopiert wurde?
Zürich spricht seit Jahren davon, dass es ein Haus speziell für Kinder- und Jugendtheater braucht. Was dort fehlt, ist die kulturpolitische Lobby.
Und noch ein weiterer Punkt ist entscheidend: Das «junge theater basel» hatte mit Heidi Fischer und Uwe Heinrich in den letzten Jahrzehnten Leiter, die sich mit Haut und Haar für das Theater eingesetzt haben. Denn wie überall, am Schluss hängt es an den Menschen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 25.10.2017, 09:03 Uhr