Im Moment ist das Theater Basel geschlossen. Die Genossenschaft nutzt die erzwungene Pause für vorgezogene Sanierungsarbeiten. Immerhin so viel Positives.
Doch Corona ist auch der Grund dafür, dass eine Intendanz nüchtern und abrupt zu Ende geht, die einen üppigeren Abschied verdient hätte.
Kritikerlob, Preise und Einladungen
In den vergangenen Jahren gab es Lorbeeren in den massgebenden Kritikerumfragen der Opern- und Theater-Fachzeitschriften, Nestroy-Theaterpreise, Einladungen nach Mülheim und zum Berliner Theatertreffen. Nach Berlin ging es gleich in der ersten Saison 2016, dann hintereinander 2017, 2018, 2019. Gab's das überhaupt schon mal?
Einmal bereits war das Theater Basel über so viele Jahre Stammgast in Berlin, in den goldenen 1970er-Jahren der Intendanten Werner Düggelin und Hans Hollmann. Und es ist nicht übertrieben, heute daran anzuknüpfen: Auch die Ära Beck – die Prophezeiung ist gefahrlos – wird als eine der glanzvolleren in die Basler Theatergeschichte eingehen und in den Annalen neben Namen wie Düggelin, Hollmann oder Frank Baumbauer stehen.
Schauspiel vor Oper
Es geht in Basel immer ein wenig auf und ab, auf fette folgen magere Jahre, und es geht hin und her zwischen Schauspiel und Oper: Was fürs Schauspiel günstig ist, muss es nicht im selben Mass für die Oper sein.
Das gilt auch für die Ära Beck: So sehr im Brennpunkt wie das Schauspiel stand die Oper nicht. Das Publikum war noch zu verwöhnt von den vorangegangenen Jahren mit Operndirektor Dietmar Schwarz, der jetzt in Berlin die Deutsche Oper leitet.
Talente ziehen weiter
Andreas Beck leitet seit dieser Saison das Residenztheater München, und auch das ist nicht ganz unbekannt in Basel: Talente können sich hier so richtig entfalten, was den Metropolentheatern nicht verborgen bleibt.
Es ist diffizil, Leute am Theater Basel zu halten. Das hat auch damit zu tun, dass die Subventionen alle paar Jahre neu ausgehandelt werden müssen. Gleichzeitig hat Basel eine grosse Attraktivität als Arbeitsplatz, wenn auch ohne die Ausstrahlung von München, Wien oder Berlin.
Andreas Beck ist gelungen, gute Leute nach Basel zu holen und sie hier zu halten. Ein Ensemble, das in allen Stilen zu Hause war und Regie-Entwürfe mit künstlerischer Energie zu füllen vermochte.
Bilanz einer Ära
Es hat die Stadt für sich eingenommen: Wenn sie mit Simon Stone die «Drei Schwestern» von allem Samowar-Dampf und Birkenduft befreiten und trotzdem so berührend blieben wie bei Tschechow. In den flirrenden Schauspielkompositionen von Thom Luz, Büchners «Leonce und Lena», Dantes «Inferno» oder dem Albert Hoffmann gewidmeten Basler Abend «LSD». Bei Stadtspaziergängen mit Koltès, Basler Krimis im Grand-Hotel oder mit Robert Walser in der Beiz. In Überschreibungen bestehender Stücke von zeitgenössischen Autoren wie Ewald Palmetshofer: Gerhard Hauptmanns «Vor Sonnenaufgang», Dryden und Purcells «König Arthur».
Diese Stücküberschreibungen aus heutiger Perspektive machen das Wesen der «Basler Dramaturgie» aus, die zentral für die Programme von Andreas Beck und Schauspielleiterin Almut Wagner war. Und die ihrerseits an die Ära Düggelin anknüpft: Der Begriff stammt von Friedrich Dürrenmatt, der ihn damals für Basel formulierte.
Vieles wird in Erinnerung bleiben
Den Kanon nicht ausser acht lassen, ihm aber ein zeitgenössisches Gesicht geben: Das hat die «Basler Dramaturgie» ermöglicht. Immer mal wieder haben sie Stoffe auf Basel umgemünzt oder sie aus Basler Geschichten bezogen.
Und nicht zu vergessen: die Drei-Sparten-Produktionen, in denen Tanz, Musik und Schauspiel performative Gesamtkunstwerke schufen: «Ein Käfig voller Narren», «König Arthur».
Das wird in Erinnerung bleiben. Aber vor allen Dingen bleibt die Erinnerung an dieses furiose Ensemble.