Der amerikanische Kunst- und Medienaktivist Mike Bonanno, mit bürgerlichem Namen Igor Vamos, ist einer der beiden Köpfe des berüchtigten Aktivisten-Duos «The Yes Men». Im neuesten Stück des Neumarkt-Theaters «They Shoot Horses Don’t They» hat er als Co-Regisseur mitgearbeitet. Und trat als Showmaster im kanariengelbem Anzug auf die Bühne.
Mike Bonanno sprach vor der Premiere über Theater, Aktivismus und Chancen, die die Schweiz hat – aber nicht wahrnimmt.
SRF: Sie arbeiten das erste Mal mit einem Theaterensemble zusammen. Worin liegt der Unterschied zwischen Theater und Aktivismus?
Mike Bonanno: Im Grunde ist es ähnlich. In beiden Sparten geht es darum, eine Geschichte zu erzählen. Etwas zu vermitteln. Als Aktivisten versuchen wir, Klarheit über Dinge zu schaffen, die falsch laufen in unserer Gesellschaft.
Das Theater hingegen will nicht unbedingt aufklären. Manchmal geht es einfach darum, etwas auf eine poetische Weise zu erkunden. Dennoch hoffe ich, dass das Drama «They Shoot Horses Don’t They» eine gewisse aufklärende Wirkung hat.
Im Aktivisten-Duo The Yes Men arbeiten Sie zu zweit. Wie ist es für Sie, im Theater in einem grösseren Team zu arbeiten?
Eines der Missverständnisse über unsere Arbeit als Yes Men ist, dass wir alles alleine machen. In Tat und Wahrheit unterstützt uns ein grosses Team. Denn unsere Projekte erfordern viele Arbeitsschritte mit grosser Arbeitsteilung.
Eine Website gestalten, die sozialen Medien unterhalten, Pressemitteilungen schreiben und so weiter. Im Grunde ist es wie ein Theaterevent, nur dass dieser Event nicht im Theater stattfindet. Darum ist es für mich nicht so anders.
Ich tue das, was die Showmaster in den Reality-TV-Formaten tun: anstacheln, polarisieren.
Und es macht Riesenspass, am Theater neue Erfahrungen zu machen. Mir gefällt es zum Beispiel, mit richtigen SchauspielerInnen zu arbeiten. Sie haben viel Übung darin, in eine Rolle zu schlüpfen, so wie wir das in unseren Interventionen auch tun. Es macht Spass, mit Menschen zu arbeiten, die professionell sind im Bereich der Täuschung.
Warum macht es Sinn, den Romanklassiker aus den 1930er-Jahren «They Shoot Horses Don’t They» heute wieder aufzuführen?
Dieses Buch wurde während der Great Depression, der Wirtschaftskrise, in den USA geschrieben. Es war eine Zeit, in der das kapitalistische System die Erwartungen der Menschen nicht mehr erfüllte. Gleichzeitig war der Faschismus am Erstarken.
Heute scheint sich dieser Moment zu wiederholen, es passieren ähnliche Dinge. Nur dass dies durch die sozialen Medien und neue Kommunikationsformen verstärkt wird. Das macht es so interessant, dieses Stück wieder auf die Bühne zu bringen.
Sie spielen darin einen Showmaster, eine recht ambivalente Figur.
Ja, der Showmaster kontrolliert die Menschen, stachelt sie zu Höchstleistungen an und polarisiert. Ich tue das, was die vielen Showmaster in den Reality-TV-Formaten tun, die aber manchmal in einen inneren Konflikt wegen ihrer Rolle geraten.
Der Typ etwa, der die Show «The Apprentice» erfand, dank der vermutlich Donald Trump Präsident wurde, hat deswegen ziemlich gespaltene Gefühle. Meine Rolle als Showmaster spiegelt all diese Konflikte.
Einer der Filme, den Yes Men gemacht haben, heisst «The Yes Men Fix the World» («Die Yes Men reparieren die Welt»). Was würden Sie in der Schweiz reparieren?
Da gibt es genug zu reparieren (lacht). Eine der Chancen, die die Schweiz hat, ist, dass sie ein sehr privilegiertes Land ist, in dem die Leute die Möglichkeit hätten, die richtige Option zu wählen.
Sie wäre reich genug, um etwa ganz auf grüne Technologie zu setzen oder zu sagen, wir exportieren keine Waffen mehr. In der Schweiz haben Sie die Wahl und die direkte Demokratie – also warum nicht alles anwenden?
Das Gespräch führte Meili Dschen.