Der ikonische und vielfach preisgekrönte Film von 2000 beginnt mit Billy: Billy tanzt allein, zu Hause auf seinem Bett im engen Kinderzimmer. Der Sound der 70er- und frühen 80er-Jahre von T. Rex, The Clash und The Jam begleitet das Schicksal des Elfjährigen im Film.
Das Musical startet mit einer BBC-Radiodurchsage über den Minenarbeiterstreik. Wir sind in Nordengland, im Jahr 1984, in einer Kleinstadt in Durham County. Auf der Bühne der Zürcher Maag Halle sammeln sich Bergleute und Angehörige zum Streik und stimmen gemeinsam einen Protestsong an.
Die Handlung ist dieselbe: Billy wächst in schwierigen Verhältnissen im harten Minenarbeiterumfeld auf. Er ist anders als die anderen: Anstatt zum Boxen zieht es ihn zum Ballett. Gegen allen Widerstand setzt er seinen Traum durch.
Der Plot ist im Musical aber anders angelegt: Es geht mehr um die Gemeinschaft als um Billy. Nicht nur die Familie, auch der ganze Ort steht am Schluss zu Billy. Der eindringliche Anfang steht fürs Ganze.
Elton John macht die Musik
Das Musical startete seine Erfolgsgeschichte 2005 am Londoner Broadway, gefolgt von New York ab 2008 – dort gewann es zehn Tony Awards.
Die Musik stammt im Musical von Elton John. Er überraschte den Filmregisseur Stephen Daldry bei der Filmpremiere in Cannes mit der Idee zur Musicaladaption.
Die Idee überzeugt: Elton Johns Musik verbindet Pop, Rock und traditionelle Musicalsongs mit Barroom Songs und Community Dances – gemeinschaftlichen Formen, wie sie in britischen Pubs gelebt werden. Darin spiegelt sie das Leben der Minenarbeiter.
Hochkarätiger Cast – und viel Übung
Der in der Schweiz heimische britische Tänzer und Choreograf Mitch Sebastian übernimmt in Zürich die Regie. Die Erwachsenen, unter anderem Billys Vater (Pascquale Aleardi) und Grossmutter (Sabine Martin), die Tanzlehrerin (Isabelle Flachsmann), oder auch Siegmar Tonk als tanzender Ballett-Korrepetitor sind international ausgezeichnet gecastet.
Billy und sein engster Freund Michael sind dreifach besetzt, dazu kommt eine ganze Mädchen-Ballettklasse. Sie wurden in Castings aus verschiedenen hiesigen Ballettschulen rekrutiert und danach über ein Jahr in Tanz, Gesang und Schauspiel trainiert. Sie performen mit Energie und Spiellust.
Der Premieren-Billy, der zwölfjährige Moritz Fischli aus Luzern, glänzt insbesondere als hochbegabter klassischer Tänzer. Billys engster Freund Michael, an der Premiere Justin Périer, stahl ihm aber fast etwas die Schau: mit fabelhaftem Schauspieltalent verwandelt er sich steppend zum Mädchen im Blumenkleid oder zur Diva in goldenem Glitter.
Lyrics auf Deutsch – passt das?
In Zürich sind die Lyrics von Lee Hall erstmals ins Deutsche übersetzt: Nuancen und Humor des englischen Originals gelingen im Deutschen nicht so ganz. Zum Beispiel im mitreissenden Song «Solidarity», in dem Minenarbeiter und Polizeibeamte aneinandergeraten, während Billy im Ballettsaal probt. Das stark übersteuerte Sound-System der Maag-Halle verhindert zudem Textverständlichkeit im Ensemble und bringt das neben der Bühne platzierte Live-Orchester nicht voll zur Geltung.
Das Musical erzählt anders und will nicht mit dem Film konkurrieren. Es ist fraglos ebenso sehenswert und die Musik reisst mit, obwohl der deutsche Text etwas holprig ist.