«Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet.» Diese beiden Sätze stehen am Anfang von Peter Stamms Roman. In Zürich stehen sie ebenfalls am Anfang des Theaterabends: Sie sind an die Rückwand der leeren Bühne projiziert.
«Agnes» erzählt eine Liebesgeschichte, und der Roman ist auch eine Geschichte des Schreibens. Ein Schweizer Sachbuchautor begegnet der amerikanischen Physikstudentin Agnes, sie verlieben sich, ziehen zusammen, und er fängt an, über sie zu schreiben. Weil sie sich das gewünscht hat. Bald holt die fiktive Geschichte die Reale ein.
Die kalte Erzähl-Perspektive aus dem Buch fehlt
In Zürich betreten sechs Schauspieler die Bühne, und dabei fällt zweierlei auf: Erstens ist Agnes doppelt besetzt: Zwei Schauspielerinnen in fast identischen Kostümen teilen sich die Rolle. Eine spielt die «reale», die andere die «fiktive» Agnes. Zweitens bekommt der Ich-Erzähler nicht nur einen Körper, sondern auch einen Namen. Er heisst Robert Suter.
Dies sind pragmatische Folgen des Medienwechsels, vom Buch zum Theater verändert sich die Perspektive. Das Theaterpublikum sieht immer die Totale, während die Leser dem Erzählfluss zu folgen haben und sich an ihm reiben können. Bei «Agnes» ist das wichtig, denn Stamms Roman ist ein virtuos konstruierter Text und sein Erzähler alles andere als sympathisch.
Es fehlt eine erkennbare Haltung
Die junge Regisseur Daniela Löffner startet immer wieder Versuche, dem Romanstoff Theaterleben einzuhauchen und die Geschichte szenisch verbindlich zu machen. Mit Slapstickeinlagen der Nebenfiguren, mit opulenten Videoprojektionen auf die Bühnenwände, mit durchsichtigen Plastikfolien, die den Spielraum der Figuren immer enger werden lassen.
Es bleibt allerdings bei den Versuchen, bei einzelnen szenischen Ideen. Was fehlt ist eine erkennbare Haltung zum Stoff. Der Abend schafft es nicht, einem klar zu machen, weshalb die Regisseurin und ihr Team diese Geschichte für die Bühne umsetzen wollten. Worin der Mehrwert des Theaters liegt.
Romanadaptionen sind derzeit beliebt. Und sie zeigen immer wieder, wie anfällig sie dafür sind, hinter der Vorlage zurück oder an ihr kleben zu bleiben. Doch um zu einem eigenständigen Theaterabend zu werden, braucht es mehr als Bebilderungen für Szenen und Atmosphären, die bei der Lektüre fasziniert haben.