Zum Inhalt springen

Bühne Hamlet als «Problem-Jugendlicher» vor Gericht

Mit «Please Continue (Hamlet)» wird das Zürcher Theaterspektakel zum Gerichtssaal. Die Theatermacher Yan Duyvendak und Roger Bernat erforschen die Mechanismen der Rechtssprechung, indem sie den Shakespeare'schen Theaterhelden zum Angeklagten machen.

Beiträge zum Theaterspektakel

Box aufklappen Box zuklappen

Die Bilanz (Kultur kompakt, 30.8.)

Trend im Theater (Reflexe, 26.8.)

Short Pieces, Plattform für Choreographen (Kultur kompakt, 23.8.)

Cirque Aïtal (Kultur kompakt, 19.8.)

Faustin Linyekula, Drums and Digging (Kultur kompakt, 19.8.)

Philippe Quesne und Bidiefono (Kultur kompakt, 16.8.)

Bichsel & Gargiulo: Die tragische Komik (Reflexe, 14.8.)

Das Gericht ist echt: Richter, Staatsanwalt und Verteidiger sind in dieser Theaterproduktion jeweils Berufsleute aus den Gerichten vor Ort, in Zürich also aus Zürich.

Hamlet, der Angeklagte, die Zeugin Ophelia und Hamlets Mutter Gertrude sind Schauspieler aus Duyvendaks Truppe. Geschworene aus dem Publikum beraten sich live und kommen jeden Abend zu einem neuen Urteil: je nach Verlauf der Gerichtsverhandlung.

Hamlet ist «extrem geladen»

Wie vor Gericht üblich, wird die Faktenlage ausgerollt. «Was war geschehen?», fragt die Richterin. «Ja, wir waren zu Hause…», erklärt Hamlet zögerlich. «Wer ‹wir›?», hakt die Richterin nach. «Ja, ich und meine Mutter…» – «Sie leben bei Ihrer Mutter?»

Hamlet spricht wie ein «Problemjugendlicher» unserer Tage und ist schon mal «extrem geladen», weil seine Mutter sich kurz nach Vaters Tod schon wieder verheiratet, mit dem Bruder des Vaters.

Die Mechanismen des Rechts

Yan Duyvendak gibt ihm als biografischen Hintergrund den sozialen Kontext eines heutigen jugendlichen Angeklagten mit. Und wie in jeder Gerichtsverhandlung gibt es nicht die eine, klar zu Tage tretende Wahrheit, sondern viele unterschiedliche Perspektiven.

Es ist aber nicht das juristische Dossier «Hamlet», das den Regisseur hauptsächlich interessiert, sondern die Rechtsprechung für sich genommen. Nach was für Mechanismen funktioniert sie?

«Es ist nicht nur so, dass man Hamlet beurteilt, man beurteilt auch das Gericht», sagt Yan Duyvendak. Er will den Blick der Zuschauer auf die Strukturen der Gerichtswelt lenken und auf die Mechanismen, wie es zu einem Urteil kommt. Die er durchaus zwiespältig beurteilt.

Terroristenprozesse als Inspiration

Am Anfang stand für die Theatermacher der Schock über die Prozesse in Guantánamo. Zunächst habe er mit Roger Bernat versucht, den Terroristenprozessen im US-amerikanischen Gefangenenlager eine szenische Form zu geben – was bei keinem Anlauf zufriedenstellend herauskam.

Deshalb stellen sie nun einen Text der theatralen Fiktion wie einen Prüfstein in die Realität des Gerichts «Durch den Abstand der Fiktion bekommt man eine kritische Distanz, die man braucht, um die Gerichtswelt anzuschauen», erläutert Yan Duyvendak.

Hamlet freigesprochen

Die Verhandlung nimmt jedes Mal eine eigene Wendung, je nachdem, wie die Gerichtsverhandlung in sich verläuft, was für Fragen das hohe Gericht stellt.

In 25 Verhandlungen in verschiedenen Ländern wurde Hamlet bisher neun Mal freigesprochen; die schwerste Strafe, die gegen ihn verhängt wurde, waren zehn Jahre, die mildeste ein Jahr.

Man darf gespannt sein, welches Urteil das Publikum am Zürcher Theaterspektakel fällt.

Meistgelesene Artikel