Das Zuhause von Werner Düggelin liegt direkt über dem Rhein in Basel. Es gibt einen prächtigen Ausblick auf den sommerlichen Fluss. Werner Düggelin hat es sich an seinem Arbeitsplatz bequem gemacht. Sein Rücken schmerzt von einer Verletzung, die er sich im Winter zugezogen hat, als er am Zürcher Schauspielhaus Molières Komödie «Der Bürger als Edelmann» inszenierte. Es soll seine letzte Inszenierung gewesen sein. Das teilt er als Allererstes mit. «Ich will nicht mehr», gesteht er. «Das Inszenieren strengt mich zu sehr an. So macht es einfach keinen Spass mehr.»
«Wir haben vom Theater geträumt»
Über 60 Jahre hat Werner Düggelin Theater gemacht. Aus Leidenschaft, aus Liebe und weil er ein Träumer ist. Das Wort «träumen» fällt mehrmals während des Gesprächs.
Werner Düggelins Laufbahn hat am Schauspielhaus Zürich begonnen. Er jobbte dort als Beleuchter, während er an der Universität Germanistik studierte. Auf der Pfauenbühne, wo er nun mit fast 85 Jahren mit dem Zürcher Kunstpreis ausgezeichnet wird, hat ihn das Theaterfieber gepackt. Als junger Mann verfolgte er in Paris die Arbeit von Regisseur Roger Blin. 1953 realisierte Blin die Uraufführung von Becketts «Warten auf Godot» – gegen alle Widerstände.
«Wir haben vom Theater geträumt», sagt Werner Düggelin, und es klingt weder sentimental noch nostalgisch. Geld hatte er keins, verdiente sich ein paar Francs als Zeitungsausträger und ernährte sich ansonsten von Haferflocken und Kakaopulver. Es war die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, eine Zeit des Aufbruchs. «Es war schrecklich. Immer wieder sind Roger Blin die Schauspieler abgesprungen, weil sie mit Becketts Stück nichts anfangen konnten», erzählt Werner Düggelin, der nicht nur mit Samuel Beckett, sondern auch mit Eugène Ionesco befreundet und einer der ersten Regisseure war, welche die Avantgardisten in die deutschsprachigen Theater brachte.
Theater machen für eine Stadt
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Nur ein einziges Mal hat sich Werner Düggelin verpflichten lassen. In den Jahren von 1968 bis 1975 war er Direktor des Theater Basels. Er verlor die alten Abonnenten, die mit seinem Programm nicht warm wurden. Aber er setzte Energie frei, um junge Menschen für das Theater zu begeistern. So veranstaltete er Rockkonzerte und spannte mit dem FC Basel zusammen. Eine Weile lang schwebte ihm auch das «Gratistheater» vor.
Eine Idee, die heute wieder avantgardistisch erscheint, und an die sich Werner Düggelin schmunzelnd erinnert. Er hat Theater für die Stadt Basel gemacht, und die Stadt hat sich damit identifiziert. Das wurde bis weit über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen. «Man muss sich zum Stadtgespräch machen, wenn man Theater für eine Stadt machen will», erklärt Düggelin. Hätte er die Basler nicht so sehr gemocht, er wäre wieder gegangen.
«Humor ist wichtig – und Selbstironie»
Werner Düggelin hat kein Interesse daran, seinen Rückzug vom Theater zu kommentieren. Es scheint ihn geradezu zu langweilen. Dagegen erzählt er entspannt von seiner Lieblingsfussballmannschaft Borussia Dortmund, von der Wichtigkeit guter Mahlzeiten, von den welken Rosen, die überall in seinem Wohnzimmer zu finden sind. Und er nennt seine Unbill dem Altern gegenüber ganz unverfroren beim Namen.
Werner Düggelin ist ein unkonventioneller «Frühpensionär», der keine Rezensionen und keine Fotos aus der Vergangenheit gesammelt hat. Ein scharfer Beobachter der Gegenwart, in dessen Blick ein zeitloser Schalk zu entdecken ist.