Es gibt keine Leinwand an diesem Theaterabend und auch keinen Film. Und doch dreht sich «Cineastas» ausschliesslich um Filme. Um noch nicht gedrehte Filme, die als Konzepte in den Köpfen von vier argentinischen Filmschaffenden herumgeistern.
Zum Beispiel Gabriel, der soeben von seiner Freundin verlassen worden ist. Um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, päppelt er seine Muskeln und sein geknicktes Ego im Fitnessstudio auf. Dort entdeckt er eines Tages ein Tattoo auf der Schulter eines gestählten Machos. Es zeigt das Gesicht seiner Ex-Freundin. Als Gabriel überdies erfährt, dass er unheilbar krank ist, wird seine Arbeit manisch.
Er ist getrieben von der Frage, ob er mit einer solchen Diagnose überhaupt noch etwas anderes filmen kann als sein eigenes Leben. Er beginnt, alle Menschen aufzusuchen, denen seine Ex das Herz gebrochen hat und begegnet dabei Menschen, die wiederum auf der Suche nach ihrem eigenen Filmstoff sind.
Eine Bühne, die es in sich hat
Regisseur Mariano Pensotti bringt die Geschichte von vier argentinischen Filmschaffenden, die alle mit ihren Plots ringen, auf eine spektakuläre Bühne. Der zweistöckige Holzbau ist unten als Wohnzimmer mit Designersesseln, Teppichen und Arbeitstischen ausgestattet. Der zweite Stock ist leer. Während unten die realen Szenen aus dem Leben von Gabriel, Mariela, Nadja und Lucas erzählt werden, scheint der zweite Stock ein Filmset wiederzugeben, auf dem die unten entwickelten Ideen umgesetzt werden. Es sind zwei Schauspielerinnen und drei Schauspieler, die hin und her flitzen, permanent reden und ständig in neue Rollen schlüpfen, sodass die Grenze zwischen Fiktion und Realität allmählich verwischt.
Wilde Stories, bunte Fantasie
Wilde Stories, welche einer schier überbordenden Fantasie entspringen, werden in «Cineastas» geschickt ineinander verwoben. Auf den ersten Blick sind es alltägliche Geschichten aus dem Leben argentinischer Filmschaffender, welche vom grossen Wurf träumen oder notorisch an sich selbst zweifeln. Keine Hollywoodkarrieren also. Lucas beispielsweise jobbt bei McDonalds, um sich das Filmen überhaupt zu ermöglichen. Dass er dort Geld klaut und dass ausgerechnet ein gekidnappter Filmemacher im Kostüm von Ronald McDonald zu Lucas Filmfigur wird, ist ein satirischer Kommentar zu grossen Konzernen, die weltweit bestimmen, was auf den Tisch und was auf die Leinwand kommt.
Lebensfreude als Präzisionsarbeit
Mariano Pensottis «Cineastas» besticht durch das verblüffend präzise Spiel seines Ensembles, welches die zweistöckige Bühne mit einer umwerfenden Leichtigkeit und Energie bevölkert. Der Theaterabend lässt mit wenigen Requisiten und Lichtstimmungen starke Bilder entstehen. Emotional ist das, wie im ganz grossen Kino, und eine grosse Hommage an all die Filme, die noch in den Köpfen von Filmschaffenden herumschwirren – in Buenos Aires und anderswo.