Vier Darsteller, viele Lieder, 90 Minuten. Grossformatig ist das «King Size»-Bett, das Zentrum des neuen Stücks von Christoph Marthaler. Darin wird geschlafen, geträumt und vor allem gesungen. Die Grösse des Bettes macht das Glück darin noch nicht aus. Um dieses Bett erstreckt sich ein luxuriöses Hotelzimmer, mit himmelblauen Wandschränken und einer Blümchentapete. Am Bühnenrand steht ein Klavier, an dem Bendix Dethleffsen sitzt. Das Bett ist viel zu gross. Viel zu klein, um alle Sehnsüchte zu befriedigen.
Der Abgrund im Bett
Singen im Bett - das tun Michael von der Heide und Tora Augestad. Die norwegische Rockmusikerin ist eine imposante Grösse, geradezu fragil wirkt daneben der Chansonnier von der Heide. Im Bett klafft zwischen dem verlorenen Paar ein tiefer Graben, es klafft Fremdheit. Ein typische Marthaler-Konstellation, typische Marthaler-Figuren. Wenn sich ihre Hände zufällig berühren, zucken die beiden erschrocken zusammen.
Ironisch bohrt Christoph Marthaler mit «King Size» im Alleinsein. Bei aller Tristesse wird einem dabei doch zum Lachen, dank starker Bilder. Etwa als Tora Augestad plötzlich unter dem Bett hervorkriecht, John Dowlands «Come Heavy Sleep» singt und dabei wie eine Schildkröte Salatblätter vom Boden aufpickt: die Sängerin im Schildkrötenpanzer.
Dowland, The Jackson Five, Robert Schumann, The Kinks - als Potpourri reihen sich in «King Size» sehr unterschiedliche Stile aneinander. Besungen wird das flüchtige Glück, wie Illusionen scheitern und wie der Schlaf - im Kingsize-Bett - einen zurückträumen lässt ins Glück. So bunt die Stile sind, so verschieden sind die Sprachen - bis ins Schwedische, Schweizerdeutsch natürlich auch und «Nonsens-Sprech», vielleicht die deutlichste aller Sprachen.
Die Komik des Absurden
Die Königin der feinen Komik auf der Bühne ist Nikola Weisse. Schon wie sie - wie aus einem anderen Film - ungerührt das Zimmer durchquert, frisch onduliert, im blauen Kleid, das sie matronenhaft ausfüllt, hat absurden Charme. Kabinettstücke sind es, wie sie umständlich auf einem Hocker klettert und vergeblich versucht, eine Tür über dem Wandschrank zu öffnen, wie sie den pseudophilosophischen Erkenntnissen nachsinnt, die ihr Hirn immer wieder ausbrütet: «Es gibt Notenständer, die noch nie eine Note gesehen haben.»
Die erträgliche Leichtigkeit des Seins
Eine träumerische Leichtigkeit durchzieht diesen Liederabend. Melancholie mit zartem Blumenduft. Marthaler stellt das grosse Gefühl auf den Flauscheteppich der kleinen Bühne. Der Raum passt absolut zum Lied.
Der Liederabend an sich ist ein Kind der Romantik, bei Marthaler und beim Gespann Augestad/von der Heide/Dethleffsen/Weisse besteht er den Gegenwarts-Test. Unterhaltend, absurd und zugleich: tiefernst - da glaubt einer an die Kunst, auch wenn sie zwischen Kissen und Duvets manchmal zu versinken droht.