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Dumpinglöhne und Gender Gap So wenig verdienen Schweizer Schauspielerinnen und Schauspieler

Eine neue Umfrage zeigt: Ohne Nebenjobs würden viele Schweizer Schauspielende am Hungertuch nagen. Besonders prekär ist die Lage für Frauen.

Psychologin, Sterbebegleiter, junge Geliebte, betrogene Ehefrau, Fabrikarbeiterin: Ruth Schwegler hat in ihren 36 Jahren als Schauspielerin schon viele Nebenrollen für Kino und für Fernsehen gespielt – unter anderem für die SRF-Krimiserie «Wilder».

Trotzdem: Ein finanzielles Polster hat Schwegler nie gehabt. «Man arbeitet vielleicht eine Zeit lang sehr gut. Und dann ist es aber möglich, dass man wieder zwei Monate nicht wirklich etwas verdient», sagt sie.

Nicht ohne einen Nebenjob

«Wenn irgendwas passiert, geht man sofort auf dem Zahnfleisch», so Schwegler. Für viele Schauspielerinnen und Schauspieler seien die vielen unregelmässigen Engagements deshalb eine finanzielle Gratwanderung, sagt die 59-Jährige.

Ruth Schwegler war deshalb auch immer wieder auf längere Theaterengagements und Nebenjobs angewiesen, um über die Runden zu kommen. So arbeitete sie beispielsweise letztes Jahr wieder in ihrem ursprünglichen Beruf als Pflegerin.

Ruth Schwegler, Schauspielerin

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Frau um die 60ig-jährig mit schulterlangen, gräulichen Haaren
Legende: Ruth Schwegler in ihrer Rolle als Christine Wilder in der SRF Krimi-Serie «Wilder». SRF / PASCAL MORA

Ruth Schwegler wurde 1962 in Grosswangen im Kanton Luzern geboren. An der Hochschule für Musik und Theater in Bern wurde sie zur Schauspielerin ausgebildet.

Seit 1999 ist Schwegler als freiberufliche Schauspielerin, Sprecherin und Diseuse tätig. Seit 2007 übernimmt Schwegler unter ande­rem Lehrtätigkeiten als Kommunikationstrainerin an der Fachhochschulen Bern, Basel und Zürich.

Dem breiten Publikum ist Schwegler bekannt aus der SRF-Krimiserie Wilder, als Mutter der Titelheldin.

Auch eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des Berufsverbands der Schweizer Filmschaffenden SSFV zeigt: Nur ein sehr kleiner Teil der Befragten kann vom Schauspielberuf allein leben, und das trotz Schauspielausbildung und langjähriger Berufserfahrung. Das Problem: die zu tiefen Tagesgagen bei vielen Produktionen.

Schauspielerinnen erhalten für einen Drehtag im Schnitt 1000 bis 1300 Franken. Damit erfüllen die Tagesgagen nicht einmal die Empfehlung für Berufseinsteigerinnen.

Text lernen, Studium, Proben – alles unbezahlt

Für Aussenstehende möge 1300 Franken pro Tag nach viel Geld klingen, sagt die Schauspielerin Ruth Schwegler. Es sei aber zu wenig. Denn für jeden einzelnen Drehtag leiste eine Schauspielerin viel zusätzliche Arbeit, die nicht bezahlt werde. Rollenstudium, Text Lernen und Anproben für Maske und Kostüm und so weiter.

«Für einen Drehtag arbeitet man so ungefähr fünf Tage», so Schwegler. Ausserdem bezahlen, gemäss der Umfrage vom Berufsverband, manche Produktionen nur Halbtagesgagen von einigen hundert Franken.

Das seien Dumpinglöhne, kritisiert Ruth Schwegler. «Das ist natürlich die absolute Katastrophe, weil man dann noch weniger kriegt und trotzdem von neun bis fünf oder acht Uhr auf dem Set ist. Das ist dann wirklich Ausbeutung pur.»

Altersarmut und Gender Gap

Das jährliche Einkommen eines Schauspielers beträgt durchschnittlich nicht einmal 30'000 Franken, wie die Umfrage des SSFV zeigt. Ausserdem zeigt sich ein grosser Gender Gap: Frauen verdienten fast einen Viertel (23,2 Prozent) weniger als ihre männlichen Kollegen.

Auch junge Schauspielende erhalten bei Spielfilmproduktionen überdurchschnittlich häufig Kleinstgagen. «Altersarmut ist ohne weitere Einkünfte vorprogrammiert», schreibt der SSFV.

Die Umfrage der SSFV

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Im Dezember 2019 lancierte der Berufsverband der Filmschauspielerinnen und -techniker SSFV eine Online-Umfrage zu den Einkommensverhältnissen von Schauspielenden in Deutsch und Französisch.

Die Einladung zur Teilnahme wurde an die SSFV-Berufsgruppe Filmschauspiel (125 Personen aus der Deutschschweiz) und an Hunderte weitere Kontakte aus dem Bereich Schauspiel geschickt.

Insgesamt haben 194 Personen teilgenommen, davon 192 aus der Deutschschweiz.

Diesen Freitag hat der Berufsverband der professionellen Filmschaffenden am Rande des Zurich Film Festival Verbesserungsvorschläge vorgelegt. Es brauche Richtgagen für die gesamte Filmbranche. Filmproduktionen, die Fördergelder erhalten, sollen den Schauspielerinnen und Schauspielern ein Mindestgehalt zahlen, das sich an der jeweiligen Ausbildung und der Berufserfahrung orientiere.

Frauen dürfen nicht durch tiefere Löhne diskriminiert werden, wie das heute noch häufig der Fall sei. Und Halbtagesgagen wären nicht mehr erlaubt. Das Bundesamt für Kultur steht grundsätzlich hinter diesen Plänen. Auch die SRG, die viele Filme und Serien unterstützt und koproduziert.

Gleiche Branche, gleiche Löhne

Urs Fitze, Leiter Fiktion beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF sagt, SRF achte bei seinen Produktionen schon lange auf eine faire Entlöhnung für alle. Aber es sei wichtig, dass in der ganzen Branche die gleichen Bedingungen gelten.

«Wir würden es begrüssen, wenn es solche Richtlöhne geben würde. Dann kann man tatsächlich auch in den Verhandlungen mit Produktionsfirmen darauf hinwirken, dass diese eingehalten werden. Dazu sind wir wirklich bereit», so Fitze.

Wie das Richt-Gagensystem in der Filmbranche genau aussehen soll, werden erst die aktuellen Verhandlungen zeigen. Ziel ist es, dass es für Film-Schauspielerinnen und Schauspieler einfacher wird, von ihrem Beruf zu leben.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktuell, 24.9.2021, 17:10 Uhr ; 

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