Wenn Sie in Delémont die Route de Bâle entlanggehen, kann es sein, dass Sie durch ein offenes Fenster direkt ins Herz des neuen Théâtre du Jura blicken und einen Blick auf eine Probe erhaschen. Der Theatersaal hat ein Fenster zur Strasse, und das darf man durchaus symbolisch verstehen.
Die direkte Verbindung zur alltäglichen Welt draussen ist Konzept im Théâtre du Jura und umgekehrt der umstandslose Weg von draussen nach drinnen. Vielleicht macht der Blick durchs Fenster ja Lust auf mehr, auf einen Vorstellungsbesuch am Abend.
Jedenfalls suggeriert die Luke Offenheit, Nähe – ganz ähnlich wie auch im Innern das helle Holz, der Sichtbeton, die Zuschauerreihen, die von allen Plätzen aus die besten Sicht- und Hörverhältnisse bieten.
Region kulturell sichtbar machen
444 Plätze hat das neue Theaterhaus auf der Hauptbühne, der «Grossen», wie die Equipe sie liebevoll abkürzt. Daneben gibt’s einen kleineren Saal mit 100 Plätzen und separatem Eingang von der Strasse her, alles höchst flexibel und modulierbar, passend für alle erdenklichen Raumsituationen. Das Théâtre du Jura ist das erste Haus dieser Grösse im Kanton und ein Traum seit vielen Jahren.
Seitdem der französischsprachige Jura seine Selbständigkeit suchte, gab es auch die Bestrebungen, die Identität der Region (zu der auch Teile der Kantone Bern und Neuenburg gehören) kulturell sichtbar zu machen. Eine Geschichte, auf die gleich nebenan in der Delsberger Altstadt eine Ausstellung unter dem schönen Titel «L’identité sur les planches» verweist.
Schon in den 1960er-Jahren mobilisierten die jurassischen Separatisten auch die ansässigen Kunstschaffenden und propagierten die eigene Kultur als Fundament für einen künftigen Kanton. Schon damals entstand auch die Idee eines regionalen Kulturzentrums, nach dem Vorbild der französischen Maisons de la culture, und mit der Kantonsgründung 1979 schien das Projekt zum Greifen nah.
Der Jura, ein Theaterkanton
Es hat dann doch noch einige Jahre gedauert und das Projekt hat noch manche Hürde nehmen müssen, die höchste wohl 2010, als der Kanton Bern sich aus Plänen für ein gesamtjurassisches, kantonsübergreifendes Zentrum zurückzog.
Was lange währt, wird endlich gut. Nun öffnet das Théâtre du Jura seine Türen – als Teil eines neuen Immobilienkomplexes in der Kantonshauptstadt und als Public-Private-Partnerschaft.
Es wird eine neue Homebase für Künstlerinnen und Künstler aus den Sparten Theater, Tanz, Musik und zirzensische Künste bieten, es vernetzt sich in der Westschweiz, aber auch im angrenzenden Frankreich und in der Deutschschweiz (namentlich im benachbarten Basel), und es legt ein grosses Gewicht auf die Kulturvermittlung.
Denn der Jura ist zwar ein Theaterkanton – Theaterkurse gehören in den kantonalen Lehrplan und am Lycée in Porrentruy gibt es sogar die einzige Theater-Matura in der Schweiz.
Aber wie überall gibt es auch hier zahlreiche «nicht-praktizierende Gläubige», wie der Theaterdirektor Robert Sandoz sie nennt: diejenigen, die sich zwar zur Kultur und ihrer gesellschaftlichen Relevanz bekennen, aber gleichwohl nicht zu den Veranstaltungen gehen. Jetzt haben sie in Delémont keine Ausrede mehr.