Das Theater spielt in Polen seit jeher eine wichtige Rolle. Tadeusz Kantor, Jerzy Grotowski, Krystian Lupa oder Krzysztof Warlikowski, das sind Namen, die nicht nur für die polnische Kultur wichtig sind. Vielmehr zählen diese Regisseure zur europäischen Theateravantgarde. Sie haben Generationen von Theaterschaffenden geprägt.
Regierungsnahes Theater
Doch was auf dem internationalen Theatermarkt erfolgreich ist, wird in Polen selbst kritisch gesehen – es gilt nicht mehr als passendes Aushängeschild für die polnische Kultur.
Die regierende Partei PIS hat in den letzten Jahren einen Kulturwandel eingeleitet und dabei rabiat in die Kulturlandschaft eingegriffen.
In einigen Städten wurden die Direktorinnen von Kulturinstitutionen, von Museen und Theatern, ausgetauscht: Kritische Leitungen wurden durch regierungsnahe ersetzt, die Kulturgelder umverteilt.
Kritik ist Störgeräusch
Es sei schwer geworden, Fördergelder zu bekommen, wenn man sich nicht für das von der Partei hochgehaltene nationale Erbe interessiere, sagt Marta Keil.
Sie ist freie Kuratorin und Dramaturgin und war bis vor zwei Jahren mit ihrem Partner für das Programm eines internationalen Festivals im ostpolnischen Lublin verantwortlich. Doch dann sagte man ihnen, dass diese Zusammenarbeit nicht weitergeführt werde.
«Die Kündigung kam einerseits überraschend, da der Publikumszuspruch gut war», erzählt Marta Keil. Andererseits seien sie nicht wirklich überrascht gewesen: «Unser Programm unterstützte den zeitgenössischen kritischen Diskurs in den Performing Arts und war international ausgerichtet. In einer Stimmung, in der das Lokale und Nationale hochgehalten wird, sind das nur Störgeräusche.»
Neuer Zusammenhalt
Trotz der widrigen Umstände und der Sorge, die eigene Miete irgendwann nicht mehr zahlen zu können, stellt Marta Keil auch einen neuen Zusammenhalt in der Theaterszene fest: «Wir sind aufgewacht und haben uns politisiert.»
Die Solidarität untereinander sei entscheidend, lokal wie international, sagt Marta Keil. Die internationale Unterstützung sei dabei nicht nur materiell, sondern auch mental für sie existenziell, um nicht im lokalen Sumpf stecken zu bleiben.
Marta Keil erzählt von jüngeren Theaterschaffenden und Performerinnen, die derzeit sehr stark auftreten und frischen Wind und neue Arbeitsformen in die Szene bringen. Ein Teil dieser jüngeren Generation ist – neben Ausstellungen, Lesungen, Konzerten, Vorträgen – am Festival Culturescapes in Basel präsent.
Experimentelle Formen
Da ist etwa Marta Gornicka, die mit ihrem wütenden Chortheater das diesjährige Festival eröffnete. Oder der Regisseur Michal Borczuch, der zurzeit am Theater Basel inszeniert (Premiere 19.10.). Borczuch gilt als einer der talentiertesten Regisseure der jüngeren Generation, gefragt im In- wie im Ausland.
«Noch ist es möglich, politisches Theater in Polen zu machen und gut zu arbeiten», sagt er. Es gebe Theater und Kulturinstitutionen, auf die das Kulturministerium nicht direkt zugreifen könne, weil sie von Seiten grösserer Städte unterstützt würden, die nicht von der PIS regiert sind.
Noch.