40 Jahre lang ist das Kabarettduo Sibylle und Michael Birkenmeier gemeinsam unterwegs. Zu Beginn ihrer Karriere wurden die Geschwister im In- und Ausland gefeiert, in einem Atemzug mit Hanns Dieter Hüsch oder Dieter Hildebrandt genannt. Doch die Kleintheaterszene habe sich gewandelt. Die Birkenmeiers verabschieden sich.
Feldzug gegen den Kapitalismus
Wer das Kabarettduo Sibylle und Michael Birkenmeier kennt, weiss: Ihre Programme haben sich gewaschen – musikalisch, literarisch, politisch, theatralisch. Ihre Stücke sind ein poetisches Feuerwerk, das auf die Zuschauer niederprasselt.
Von den insgesamt 22 Programmen war jedes dritte ein Totalangriff auf die Gesellschaft und den Kapitalismus. Birkenmeiers prangern mit scharfer Zunge unser modernes Leben an, nehmen jede und jeden im Publikum ins Gericht. «Kapitalismus und Demokratie gehen nun mal nicht zusammen», bringt Sibylle Birkenmeier ihre 40-jährige Mission auf den Punkt.
Kometenhafter Aufstieg
Erste Erfahrungen sammelten die Rudolf-Steiner-Schüler an Schulfesten. Die zwei erinnern sich schmunzelnd: «Wir alberten stundenlang am Klavier rum, hatten unheimlich Lust, uns auszutoben. Wir hielten den Lehrern, die wir am liebsten mochten, den Spiegel vor und zeigten, wie sie rüberkamen. Das hat unheimlich gelockert.»
Noch vor Schulabschluss debütierten sie im Theater Tabourettli in Basel. Wenige Jahre später ging’s steil bergauf: Oltener Kabarettpreis und Salzburger Stier.
Bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises lobte Kollege Hanns Dieter Hüsch das Nachwuchspaar in den höchsten Tönen, prophezeite jedoch, dass die beiden zwar sehr bekannt werden würden, aber nie populär. «Weil er wusste, dass wir unsere eigenen Wege gehen und uns nicht darum kümmern, was gefällig ist», ergänzt Michael Birkenmeier.
Zu anspruchsvoll?
Hüsch sollte recht behalten. Zwar waren die Birkenmeiers in der Kleinkunstszene lange Jahre fest verankert.
Doch mit ihrer klaren Haltung, die sie stets auch von ihrem Publikum einforderten, mit ihrer Raffinesse, Missstände in Metaphern zu verpacken, bedienten sie nicht die Massen. Mehr und mehr seien sie nun von der «Lachdichte garantierenden Comedy» verdrängt worden.
Michael Birkenmeier sinniert: «Man hat gemerkt, dass sich Künstler den Erwartungen des Publikums und der Theater immer mehr anpassen.» Für das Basler Duo keine Option.
Sibylle Birkenmeier erklärt: «Wir haben wegen unserer Art nicht die Medienpräsenz gehabt, die den Häusern den Profit garantiert hätte. Zum Glück hatten wir eine kleine Gemeinde von Bühnen, die uns treu war. Diese Theater waren voll besetzt. Doch andere sagten: ‹Ihr seid so geil, aber unser Publikum wird Euch ablehnen, das wird Euch nicht verstehen.› Anspruchsvoll: Das ist in der Schweiz ein Todesurteil.»
Letzte Tournee
Nun singen Sibylle und Michael Birkenmeier zum letzten Mal einen Abgesang auf eine moderne Gesellschaft, die dem Markt dient und Mensch, Tier und Erde zugrunde richtet.
«Die wahre Liebe ist die liebe Ware», predigt Pastor Michael in «schwindelfrei». «Cogito ergo consum». Und Sibylle beschwört in einem Gänsehaut-Chanson aufrechte, mündige Bürger, die den wahren (mit h!) Wert des Menschen erkennen.
Diese Menschen wollen die zwei weiterhin mit kabarettistischen Interventionen beglücken. Im noch Kleineren. Beim Coaching. Im persönlichen Kontakt.
Sendung: Kulturplatz, SRF 1, 19.2.2020, 22.25 Uhr.